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Die Legenden der Albae: Die Vergessenen Schriften (German Edition)

Die Legenden der Albae: Die Vergessenen Schriften (German Edition)

Titel: Die Legenden der Albae: Die Vergessenen Schriften (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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Leib,
    in meine Seele
    und rührt sie zu Tränen.
    Sternengesang,
    den Tag verfluchend.
    Berauschende Strahlen
    umhüllen mich,
    erheben meinen Geist,
    leiten mich zur Erkenntnis
    und spenden Trost.
    Sternengesang,
    in dröhnender Stille,
    unwiderstehlich und unvergänglich,
    stehe ich und lausche ergriffen
    dem tönenden Nichts,
    der brausenden Ruhe.
    Nacht für Nacht.
    Der letzte Ton verklang, doch Arviû rührte sich nicht.
    Er ließ das Lied ergriffen in sich nachklingen. Der Hall von Iuwânas Stimme hatte den gesamten Raum in besonderes Echolicht getaucht, unwirklich, magisch und jenseits von allem, was er bislang gesehen hatte. Gänsehaut lag auf seinen Armen, er schauderte immer noch. Bei einem solchen Lied in die Endlichkeit ziehen und nichts anders dabei tun als zuhören.
    Iuwâna setzte sich. »Du mochtest es nicht?«, fragte sie unsicher.
    Arviû räusperte sich mehrfach. »Doch, sehr. Es ist … unbeschreiblich! Du musst es Carmondai vortragen, damit er es festhält. Solch ein wundervolles Lied soll bestehen bleiben und von vielen gesungen werden.«
    Iuwâna griff nach ihrem Becher. »Dein Lob bedeutet mir sehr viel«, sprach sie und klang traurig.
    Arviû nahm sein Gefäß zur Hand und kostete von der cremigen Substanz, die leicht nach Gewürzen und Früchten schmeckte. Nicht zu viel und nicht zu wenig. Wie gelingt es ihr jedes Mal? Er ließ es am Gaumen zergehen. »Was hast du, Iuwâna?«
    »Ich muss dir ein Geständnis machen.«
    Arviû konnte sich nicht erklären, was sie ihm zu gestehen hätte. Ihre Liebe vielleicht! »Ich höre?«
    Iuwâna atmete tief ein und stellte den Becher mit dem unberührten Gries auf den Tisch. »Ich bin eine Cîanai.«
    Arviû versuchte sich zu erinnern, was die Bezeichnung bedeutete. »Du willst damit sagen, dass du … deine Magie nicht nur als Kraft einsetzen kannst, um Dunkelheit zu bringen?« Er hatte diese Erzählungen nie sonderlich ernst genommen. Erinnerungen aus einer anderen Zeit.
    »Ja. Und ich bin nicht die Einzige im alten Dsôn gewesen.«
    »Aber wieso …«
    »Wir hielten und halten unsere Existenz verborgen. Es würde zu viel Aufruhr bei unserem Volk verursachen; wir wirken unbemerkt von allen.« Iuwâna spielte mit den Ärmelaufschlägen. »Wir versuchten damals, dein Augenlicht zu retten, mit allen Mitteln, die uns zur Verfügung standen. Jashâphor, mein … Ausbilder, nahm mich hinzu, damit ich auf magischem Wege versuche, die Splitter aus deinem Schädel zu ziehen. Es gelang mir zu einem überwiegenden Teil. Aber ich sah auch, dass ein winziger Rest zu tief steckte, sodass ich ihn nicht erreichte«, berichtete sie.
    Arviû versteifte sich. Die Erzählungen brachten schmerzhafte Erinnerungen zurück. Der Zusammenprall mit der Elbenlanze und wie sich die Zeit daraufhin zu verlangsamen schien, wie die winzigen Fragmente auf sein Antlitz zuflogen, größer und größer wurden …
    Sféa spürte, dass sich die Stimmung des Albs wandelte. Sie schnurrte beruhigend und leckte seine Finger.
    »Die Heiler wagten es nicht, tiefer mit Klingen und Haken in deinen Verstand vorzudringen, also ließen wir den Splitter, wo er ist.« Iuwâna seufzte. »Ich erforschte … damals die Kräfte unseres Volkes. Meiner Vermutung nach befindet sich im Kopf eines jeden von uns ein besonderer Abschnitt, der zuständig für die Beherrschung unseres angeborenen Könnens ist. Und genau dort steckt bei dir dieses letzte Überbleibsel.«
    Arviû hatte immer vermutet, dass die Heiler nicht sämtliche Stückchen aus ihm heraus gepult hatten, aber das war ein gravierenderes Geständnis, als er angenommen hatte. Eine Cîanai. »Nun, du hast es wenigstens …«
    »Das ist nicht alles, Arviû«, unterbrach sie ihn mit deutlicher Angst in der Stimme. »Es … hat einen Grund, weswegen ich dich seit meiner Ankunft in Dsôn … in Tark Draan besuchte. Die Speisen, die du zu dir nahmst, waren versetzt mit einem Wirkstoff …«
    »Ein schleichendes Gift?«, entfuhr es ihm. Unsinn. Das hätte sie einfacher haben können.
    »Nein, oh nein, ganz im Gegenteil. Es ist eine Essenz, die ich ersann, um dich zu stärken und deinen Körper nach den Entbehrungen aufzubauen.« Iuwâna ließ die Ärmel los und lehnte sich zurück. »Wie es den Anschein hat, förderten sie jedoch im Zusammenspiel mit dem Splitter deine angeborenen Kräfte über das übliche Maß hinaus.«
    Arviû runzelte die Stirn und stand im Begriff, sich einen vollen Löffeln in den Mund zu schieben. Sie vollführte Experimente

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