Die Legenden der Albae: Die Vergessenen Schriften (German Edition)
entdeckte.« Arviû machte es nichts aus, dass der Regen ihn durchweichte. Solange er in Bewegung blieb, konnte ihm die Kälte der Elemente nichts anhaben.
Er dachte darüber nach, was ihn erwartete, ohne seinen Eilschritt zu vermindern.
Entfernt vom östlichsten Ausläufer des Reiches, das einst den Elben der Goldenen Ebene gehört hatte und nun den Namen Dsôn Balsur trug, erhob sich eine schmale Festung, in denen wohl etliche Elben Zuflucht gefunden hatten.
Der Meistermörder fand sie durch Samusins Fügung. Und nur durch eine weitere Fügung und immenses Können entkam er den Geschossen und seinen Häschern, um Dsôn vom geheimen Bollwerk in Kenntnis zu setzen.
Aus der gezielten Befragung von Gefangenen erfuhren sie daraufhin, dass diese Feste im benachbarten Barbarenreich ursprünglich errichtet worden war, um in aller Heimlichkeit die Berge zu beobachten. Die Elben trauten den ansässigen Barbarenstämmen nicht und wollten rechtzeitig vor einem Überfall gewarnt sein.
»Da vorne, an der Spitze des Weges, kommt ein Gasthof«, sagte Iuwâna. »Oh«, fügte sie gleich darauf enttäuscht hinzu. »Nein, er ist eingestürzt. Das wird kein schöner Ort für ein Lager sein.«
»Besser als eine Höhle.« Arviû ärgerte sich. Er hatte damit gerechnet, heute noch zu der kleinen, doch feinen Truppe zu stoßen, welche die Elbenfestung umschlossen hielt. Die schwierigen Pfade verhinderten es.
Da die meisten Einheiten der Albae gegen Âlandur zogen und sich durch die Goldene Ebene sowie Lesinteïl bewegten, um auch den letzten Elb aufzuspüren, blieben wenige Krieger für eine aufwendige Belagerung, noch dazu unter diesen Bedingungen. Und doch dürfen wir sie nicht achtlos behandeln. Niemand wusste, wie viele Gegner Zuflucht gefunden hatten, die jederzeit Vorstöße ins entstehende Dsôn Balsur unternehmen konnten.
Arviû erzeugte ein helles Klirren und sah das halb verfallene Gebäude vor sich, in dem sie Unterschlupf suchen wollten. Lârc, Arà und Ûsh schlichen bereits darin herum und kundschafteten, Sféa blieb an seiner Seite und wachte.
Es war ein schlichtes Haus, überwiegend aus Steinquadern errichtet. Holz fand sich in diesem Teil Tark Draans selten, dickstämmige und schwere Bäume bekamen in den Felsen nicht genug Halt und Nahrung. Und aus Büschen und Stämmchen war nichts Dauerhaftes zu erbauen.
»Den Beschädigungen nach waren es Oger und Trolle, die sich den Hof vornahmen«, schätzte Arviû und hörte die entwarnenden Laute, die seine Lieblinge absonderten. »Das ist schon lange her. Wir können unbesorgt bleiben.«
Iuwâna stieg vom Pferd und führte es in den Unterstand, Arviû ging in den Trakt des Gebäudes, der komplett stehen geblieben war.
Dem Geruch von kaltem Feuer, ranzigem Fett und Gewürzen nach handelte es sich um die Küche, und das Echo des hellen Ping zeigte ihm umgeworfene Kochutensilien sowie eine gewaltige Feuerstelle. Genau richtig, um sich aufzuwärmen und die Kleidung zu trocknen.
Es dauerte nicht lange, und die Albin erschien und übernahm die Aufgabe, die Flammen zu entfachen. Trockenes Holz gab es dank eingestürzter Stützbalken aus dem Nebengebäude genug.
Die vier Vena-Katzen wärmten sich das Fell, blieben aber achtsam wie stets. Die Cîanai bereitete ein einfaches Mal zu, das sie zusammen schweigend verspeisten. Dazu gab es verdünnten Wein, den sie in einem Topf erhitzten.
Der Regen ließ unterdessen nach. Die letzten versiegenden Tropfen spielten ein Konzert, zu dem die Albin eine Melodie summte, die wunderschön war wie alles, was sie anstimmte. Als Stille um sie herum eintrat, erhob sich Iuwâna und ging zu den Fenstern. »Oh, wie schade, dass du …« Sie unterbrach sich.
Arviû lächelte traurig. »Beschreibe, was du siehst, dann werde ich es ebenfalls genießen.«
»Die Wolkendecke ist aufgerissen, und am Hang hinter dem Gasthof öffnet sich ein Tal, über dem die Gestirne funkeln. Ich kann schroffe Berge sehen, an deren Hänge kleine Lichter brennen. Vermutlich ist es ein Barbarendorf. Wie niedlich und einfach ihre Häuser aussehen! Sie wirken wie bunte Würfel, und anstelle von Schindeln tragen sie große Steinplatten. Ich kann mich täuschen, aber glaube, sie benutzen verschiedene Steinsorten.« Sie schwieg einen Moment. »Doch, ich sehe es jetzt deutlich. Und sie tragen Muster in den Mauern.« Iuwâna beschrieb das Tal, den Wasserfall und die Gischtwolken, den Pfad auf der anderen Seite und die schimmernden Felshänge.
Arviû sah alles genau vor
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