Die Legenden der Albae: Die Vergessenen Schriften (German Edition)
mehr herausgekommen.
Er lauschte auf das verklingende Tropfgeräusch, das sich im Prasseln und Knacken des Feuers verlor. Meine wahre Prüfung erfolgt erst.
Die Nacht verging ohne Ereignisse, und mit dem kommenden Morgen brachen Arviû, Iuwâna und die vier Vena-Katzen auf. Geträumt hatte er nichts, weder von gleißendem Licht noch von ihn verhöhnenden Spitzohren, und das erleichterte ihn so sehr, dass er darin ein gutes Omen sah.
Inzwischen ähnelte die Landschaft dem Grauen Gebirge, wurde noch abschüssiger, steiler und abweisender, wie Arviû aus den genauen Schilderungen der Albin erfuhr. Das rollende, lang anhaltende Echo reichte allenfalls aus, einen Eindruck zu erhalten.
Gegen Nachmittag erreichten sie den Vorposten der Albaetruppe. Einer der Krieger brachte sie umgehend zum Befehlshaber. Dârsolòn, so lautete dessen Name, hatte eine Höhle in seinen Unterstand umgewandelt; im vorderen Bereich befanden sich auch die Unterkünfte, die bis auf ein halbes Dutzend Krieger jedoch verwaist lagen.
Viele Worte wurden nicht gewechselt. Sie hatten dem blinden Alb ein maßstabgetreues Modell angefertigt, das er ertasten und somit herausfinden konnte, wo sich die Elbenfestung im Berg befand und wie sie sich in den Felsen einfügte, wo Öffnungen ausgemacht worden waren und von wo Beschuss erfolgte.
Zusammen mit den Beschreibungen, die Dârsolòn ihm gab, formte sich ein genaues Bild. Es wird leichter, als ich annahm, sofern meine Gaben mich nicht im Stich lassen. Allerdings beeindruckte ihn die Tarnung ihrer Festung. Ohne die Vorarbeit des Meistermörders hätte niemand vom geheimen Rückzugsort der Elben erfahren.
»Und wie möchtest du vorgehen?«, erkundigte sich Dârsolòn neugierig. »Virssagòn sagte mir, dass er den Angriff …«
»Virssagòn wird nicht erscheinen. Ebenso wenig sein Schüler oder ein anderer Assassine«, fuhr er ihm dazwischen. Er konnte sich das verunsicherte Antlitz des Benàmoi genau vorstellen und musste lächeln. » Ich führe euch auch nicht.«
»Aber … weswegen bist du gekommen?«
»Um die Festung einzunehmen.«
»Alleine?«, stieß Dârsolòn aus. »Ohne dass du weißt, wie es im Innern aussieht und wie viele Elben dich erwarten?«
»Du hast es exzellent zusammengefasst.« Arviû neigte in nicht ernst gemeinter Anerkennung das dunkelhaarige Haupt. »Es würde demnach auch keinen Sinn ergeben, wenn ich dich und deine Schar ins Ungewisse führe, ist das richtig?«
»Wir könnten mehr ausrichten als du.«
»Sofern sie uns keinen Hinterhalt legen.« Arviû lachte leise. »Du siehst, ich gehe äußerst schonend mit euch um.«
Dârsolòn setzte sich überrascht auf einen Felsvorsprung, seine Rüstung schabte über den Stein. »Du siehst … würdest mich ratlos sehen. Willst du in die Endlichkeit eingehen und dabei in einem Epos enden? Nur so vermag ich mir zu erklären, was du beabsichtigst.«
»Wie kannst du es wagen? Arviû wird euch beweisen, dass er zu Recht eine Legende ist«, ergriff Iuwâna Partei für ihren Gefährten. »Zweifle nicht an ihm, sondern preise ihn für seine Unerschrockenheit und seinen Wagemut.«
»Noch bin ich mir nicht im Klaren darüber, wegen welcher Eigenschaften ich ihn lobpreisen soll. Es könnten auch Tollkühnheit und gar Überheblichkeit sein«, entgegnete Dârsolòn. »Ich will offen sprechen: Weder habe ich eine gelungenen List noch einen Plan für eine durchdachte Attacke vernommen, die mich die geringste Zuversicht schöpfen ließe, den berühmten Arviû nach unserer Unterredung jemals wieder lebend zu Gesicht zu bekommen. Also schweige ich von nun an und wünsche dir den Beistand von Inàste und Samusin. Ich bin gespannt, was dir gelingen wird.« Er verschränkte die Arme vor der Brust.
Du wirst mich schon bald um Verzeihung bitten. Arviû erschuf ein Ping mit seinem Ring und sah Dârsolòn vor sich, dann legte er ihm eine Hand auf die Schulter. »Ich bin dir nicht böse, sondern verstehe dich. Möchtest du eine Wette auf den Ausgang des Unterfangens eingehen?«, setzte er lockend nach.
»Zu gerne.«
»Welcher Einsatz schwebt dir vor? Ich bringe meine Unendlichkeit ein.«
»Nun, wie wäre es mit ewiger Treue und Gefolgschaft?«
»Die hast du den Unauslöschlichen geschworen. Denkst du nicht, sie könnten deswegen beleidigt sein, erführen sie davon?«
Iuwâna lachte leise. »Ich glaube, mein geliebter Gefährte, der Benàmoi hält es nicht im Geringsten für möglich, dass du diese Festung einnimmst.«
Arviû nickte ihr zu.
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