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Die Legenden der Albae: Dunkle Pfade (German Edition)

Die Legenden der Albae: Dunkle Pfade (German Edition)

Titel: Die Legenden der Albae: Dunkle Pfade (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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»Geliebte Schwester!«
    Firûsha seufzte erleichtert und berührte sein Gesicht, das ihrem sehr ähnelte, wenn es auch männlich und markant daherkam. »Es erscheint mir so lange, und doch waren es höchstens hundert Momente der Unendlichkeit.«
    Sisaroth entließ sie aus seiner Umarmung, fasste ihre Hände und betrachtete sie anerkennend. »Du wirst mehr und mehr zu einer erwachsenen Albin. Wie viele Herzen verfielen dir bereits?« Er tat, als müsste er nachdenken. »Ah, ich weiß es: Sämtliche Herzen in Dsôn Sòmran, die für eine Frau entbrennen können, entflammten lichterloh.«
    Sie grinste verschmitzt. »Nein. Nicht alle . Aber doch einige.« Firûsha wandte sich zum offenen Fenster. »Komm und sieh, was Dsôn in dieser Nacht für uns vorbereitete!« Hand in Hand schlenderten sie durch das große Zimmer, in das der frische, blütenduftgeschwängerte Südwind wehte.
    Sisaroth war gespannt, welcher Anblick ihn erwartete. Es kann zumindest nichts Anmutigeres sein als sie.
    Der Dolch schlug leicht gegen die Hüfte. Er hatte ihn vor zwei Momenten der Unendlichkeit verliehen bekommen, für seine Tapferkeit und seine Kampfkraft. Trotz seiner jungen Jahre durfte sich der heranwachsende Alb zu den Besten zählen. Das erfüllte ihn mit unbändigem Stolz. Es kann nicht schaden, wenn ich eine sichere, schnelle Klinge führe, obwohl ich Priester werden will.
    Nicht weniger erfüllte ihn der Anblick seiner Schwester, die während seiner Abwesenheit in Dsôn verblieben war und in die vorbereitende Ausbildung ihrer Mutter gegangen war, um ihre betörende Stimme zu schulen. Bereits nun vermochte sie die Zuhörer in ihren Bann zu schlagen.
    Was wird geschehen, wenn sie von einer weiteren Meisterin unterrichtet wird? »Würdest du für mich singen?«, bat er leise. »Weise mir, was du von Mutter erlerntest.«
    »Nicht jetzt«, gab sie zögerlich zurück. »Warten wir auf Tirîgon. Bis dahin schulde ich dir ein Lied.« Firûsha führte ihn zum gepolsterten Sims.
    Gemeinsam setzten sie sich und sahen auf die majestätische Stadt hinab, die sich in einem steinernen Talkessel befand, umschlossen von mächtigen grauen Felswänden: Dsôn, der Mittelpunkt des Albareichs Dsôn Sòmran, breitete sich unter den Geschwistern leuchtend und funkelnd aus.
    Kleine und große Lichter schimmerten in der Dunkelheit, erzeugt von unzähligen Kerzen, Fackeln und Flämmchen in den Fenstern und auf den Plätzen. Feurige, wallende Wolken wälzten sich hier und da in die schwarzen Himmel, erzeugt von brennbarem Pulver, das von Schleudern zusammen mit glimmenden Dochten in die Höhe katapultiert und entzündet wurde.
    Die Bewohner begingen das Fest des Westwindes und opferten ihm Feuer und Licht. Je greller und länger die Gabe, desto mehr Gnade erhofften sie sich vom Wind und dem Gott Samusin. Zwischen den Verpuffungen wirbelten und trudelten verschiedenfarbige Blütenblätter sowie Federn; sie vergingen in den Lohen oder schwebten umher, um nach oben zu steigen oder auf die Dächer und Felswände niederzusinken. Ein faszinierender, fesselnder Anblick voller Poesie.
    Wie schön es ist! Firûsha drückte sanft Sisaroths Finger. »Hättest du jemals daran geglaubt, dass wir nach dem Untergang Dsôn Faïmons in solcher Freiheit und voller Eintracht leben?« Sie lehnte sich nach vorn, Begeisterung blitzte in ihren blauen Augen. Eine Windböe erfasste ihre langen schwarzen Haare und spielte mit einzelnen Strähnen.
    »Wir sind zwar zu jung, um das alte Albaereich zu kennen«, gab er ergriffen zurück, »doch es kann niemals schöner als unsere Heimat gewesen sein.« Sisaroth richtete den Blick nach Norden, nach Tark Draan, wo sich ein weiteres Albae-Reich befand. Zusammen mit den Unauslöschlichen.
    Wie jedes Mal, wenn er an das weit entfernte Herrscherpaar jenseits des Grauen Gebirges dachte, fühlte er Groll in sich aufsteigen. Seit ihrem Auszug und der Flucht vor der Krankheit, die über das Volk der Albae gekommen war, zeigten sie sich den Überlebenden nicht mehr.
    Sisaroth stellte sich vor, wie sie sich feiern ließen und wie groß dieses andere Reich sein musste, während er und seine Geschwister in dem Talkessel hockten. Wie in einem Verlies mit wundervoll verzierten Wänden – und doch ist und bleibt es ein Verlies.
    Aïsolon hatte ihm in den seltenen gemeinsamen Stunden von Sinthoras und Caphalor berichtet, den einst hohen Nostaroi und Befehlshabern des ersten erfolgreichen Feldzugs gegen Tark Draan. Caphalor musste einst ein sehr enger Freund

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