Die Legenden der Albae: Dunkle Pfade (German Edition)
seines Vaters gewesen sein, doch plötzlich gab es keinerlei Nachrichten mehr von der anderen Seite des Gebirgsgürtels. Dutzende Teile der Unendlichkeit vergingen ohne eine einzige Botschaft.
Die Truppen, die zum Steinernen Torweg und Durchgang zu Tark Draan gesandt wurden, kehrten entweder wegen massiver Angriffe durch Scheusale um oder blieben verschollen.
Dabei konnte die Stadt kein Schwert zu ihrer Verteidigung entbehren. Dsôn war umzingelt von geifernden Óarcohorden, die es sich zum Ziel gesetzt hatten, die kleine Ansammlung der Albae auszurotten. Sie machten das harte Leben durch ihre beständigen Attacken zusätzlich schwer.
Sisaroth sah hinaus und haderte mit sich, wie stets.
Er wollte die Unauslöschlichen und alle Albae, die in Tark Draan sichere Zuflucht gesucht hatten, nicht hassen – doch warum kamen sie nicht? Was hinderte sie daran, zu ihren Untertanen zurückzukehren oder wenigstens Boten zu senden, um eine Nachricht zu schicken?
Ich ahne, was geschah. Sie vergaßen uns in ihrem Glück und Überfluss, dachte er niedergeschlagen. Das ist nicht rechtens. Wir sind ein Volk. Wir sind auch Albae, die ein gutes Dasein verdienen.
Dsôn Sòmran hieß das, was die Zuversichtlichen »Reich« und die Spötter »Ableger« nannten, gegründet und befehligt von Aïsolon, verteidigt von tapferen Kriegern.
Errichtet wurde die Stadt nur einen halben Teil der Unendlichkeit nach der Katastrophe und dem Ende des Sternenstaats, in diesem trichterförmigen, engen Gebirgskessel. Abgeschottet, uneinnehmbar – und unbedeutend. Eine Kolonie, eine Enklave, mehr stellte es in nicht wenigen Augen der Bewohner dar.
Wir darben vor uns hin. Sisaroth legte abwesend seine Hand auf Firûshas Schulter. Die Überlebenden der Krankheit gruben sich ein, wurden beinahe zu Unterirdischen, krallten sich in Bergwände, meißelten ihre Häuser in Fels und warten wie erstarrt darauf, dass die Unauslöschlichen nahen und sie erlösen, um sie nach Tark Draan zu führen.
Dort, so glaubten es viele, gab es sogar mehrere Albaereiche.
Große Albaereiche. Glanzvolle und glorreiche, nicht wie hier, in Ishím Voróo, in den unberechenbaren, tückischen Bergen, in deren brüchigen Flanken die Wolken hingen und unentwegt Regen abluden. Das Wasser schien die Albae auswaschen und auf den Boden des Trichters schwemmen zu wollen. Zahlreiche Familien waren ausgelöscht, da die Hausfundamente abgeglitten waren und die Bewohner in den Tod gerissen hatten.
Sisaroth ballte die freie Hand zur Faust. Wir sind keine Unterirdischen und haben nichts in den Gebirgen verloren. Wo bleiben die Unauslöschlichen?
Als hätten die dunkelgrauen Dunstgespinste über ihnen seine Gedanken zum Regen vernommen, klatschten erste Tropfen gegen die Scheiben der offenen Fenster.
Sisaroth betrachtete die Flammen unter ihnen, sein Gesicht erstarrte und wurde maskenhaft. »Sie sollten endlich zu uns kommen«, murmelte er. »Wir haben es verdient.«
»Wer?« Firûsha wandte sich zu ihm.
Verdirb ihr nicht den Augenblick. Sie ist erfüllt mit Freude. »Verzeih, ich war in Gedanken«, wiegelte er mit angestrengtem Lächeln ab. »Ich meinte, wann kommt Tirîgon endlich? Unser Bruder lässt auf sich warten.«
»Er wird einen guten Grund haben.« Sie wies hinaus, formte eine hohle Hand und fing einige der Tropfen auf. »Der Westwind scheint das Spektakel nicht zu mögen. Er bringt Regen«, sagte Firûsha bedauernd. Sie zog den Arm zurück. »Ach, wie schade! Ich hoffe, es ist kein schlechtes …«
Mit einem lauten Krachen wurde die Tür aufgestoßen.
Die Geschwister fuhren herum, Sisaroths Hand schnellte vor Überraschung an den Griff des Prunkdolchs.
Anstelle des vermuteten Bruders marschierten Soldaten über die Schwelle, in voller Panzerung und mit gezogenen Schwertern, als müssten sie die Attacke Hunderter Óarcorotten abwehren.
Ihr Anführer, ein blonder Alb mit hell leuchtenden grünen Augen, war der Einzige, der keine Waffe in der Hand hielt. Seine verzierte, aufwendig gestaltete Panzerung in schwarzem Tionium sowie die weißsilberne Kette um seinen Hals wiesen ihn als Aïsolons Stellvertreter aus, dessen Befugnisse dicht an den Statthalter von Dsôn Sòmran heranreichten.
»Gàlaidon?«, raunte Firûsha beunruhigt. Er ist der Erste Sytràp. Was kann er von uns wollen?
Die gerüsteten Soldaten formierten sich im Halbkreis um Sisaroth und Firûsha, die Klingen halb erhoben und auf Gegenwehr vorbereitet. Sie blickten entschlossen.
Was ist vorgefallen? »Ihr
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