Die Legenden der Albae: Tobender Sturm (Die Legenden der Albae 4) (German Edition)
die Anrede überraschte. Der Mann war ihm zuvor nie aufgefallen. Wie auch? Ich hätte ihn für einen Soldaten aus Elhàtor oder Dâkiòn gehalten.
»Ich bin Kôr’losôi und gehöre zur Nhatai-Familie«, erklärte er, »aber ich bin nicht diejenige, die dich kontrolliert. Komm nicht auf den Gedanken und versuche, mir etwas anzutun.« Er blickte den Shintoìt an. »Ich bin der Einzige, der dir helfen kann, Kaiser. Wenn du mir hilfst.« Eine Hand legte sich gegen den Unterarm des Albs, und an der Stelle entstand ein magisches Kribbeln, das sich von dem schmerzhaften Stechen unterschied, das er in den Städten verspürte. »Solange ich dich berühre, ist ihre Macht verringert, ohne dass sie es bemerkt. Wir können reden.«
Ihre Macht? Eine Frau also. Aiphatòn gab seine Teilnahmslosigkeit auf, zumal Kôr’losôi dachte, er sei verantwortlich für die Bewegungsfreiheit. Dass er sich vorher schon ohne Befehl zu rühren vermochte, blieb weiterhin sein Geheimnis. »Sie wird meine Gedanken lesen.«
»Das vermag kein Botoiker. Wir beeinflussen Lebewesen, doch ihr Denken bleibt uns verwehrt. Du kannst unbesorgt sein. Höchstens, wenn sie dich auffordert, die Wahrheit zu sagen, wird es gefährlich.« Er senkte den Kopf, um einen hereinbrechenden Schwall Wasser nicht ins Gesicht zu bekommen. »Ihr Name ist Fa’losôi, und …«
»Unbesorgt?« Der Alb lachte verbittert. »Du willst sie loswerden, um dir das Heer selbst anzueignen.«
»Um es aufzulösen und sie zu stürzen«, widersprach Kôr’losôi. »Sie rottet sämtliche übrigen Botoiker-Familien aus, und es ist leicht zu erkennen, dass sie mich auch umbringt, sobald ihr Ziel erreicht ist.« Er wischte sich über das meernasse Gesicht. »Ich befehlige die Flotte in ihrem Namen. Sie hat ihren Vertrauten mitgesandt, der wiederum mich überwacht.«
»Den Krieger mit dem Kupferhelm«, erriet Aiphatòn. »Das Ghaist.«
»Ja. Er ist kein lebendiges Wesen, auch wenn es so erscheinen mag.« Kôr’losôi nutzte den Alb als Halt, der Winkel, in dem es nach oben ging, wurde steiler. »Es ist ein Ghaist, erschaffen aus Magie und Seelen. Durch dieses wird ihre Magie und ihr Wille verstärkt. Ich bin noch nicht dahintergekommen, wie sie es anstellt.«
»Wie kann man es töten?«, fragte Aiphatòn unverzüglich.
»Nur durch starkes Feuer. Aber es ist zu schlau und zu schnell.« Kôr’losôi schluckte, als der Rumpf den Punkt erreichte, an dem die Woge brach und das Schiff mit ihnen nach unten glitt. »Sie erschuf viele von diesen Ghaist-Kreaturen, um die Ödnis nach neuem Material für ihr Heer durchstreifen zu lassen.«
Aiphatòn erinnerte sich, wie das Menschendorf an den Sucher gefallen war. »So fanden sie auch Dâkiòn.«
Kôr’losôi bestätigte es mit einem Kopfnicken. »Sie ist die Einzige, die in der Lage ist, den Willen eines Albs zu brechen. Und weil ihr als die besten Kämpfer geltet, verlangt sie nach euch. Du warst eine Dreingabe, mit der sie nicht rechnete.« Kôr’losôi sah ihn an. »Du musst mir helfen! Sonst wird sie sich ein Heer erschaffen, das alles hinwegschwemmt, was sich ihr entgegenstellt.«
»Ist das nicht ohnehin das Begehr der Nhatai-Familie?« Aiphatòn fühlte kein Mitleid mit dem Botoiker, der sich vor dem eigenen Untergang retten wollte, nachdem er höchstwahrscheinlich selbst zahllose Lebewesen mit seinen Zaubern gebunden und missbraucht hatte.
Aber er erkannte die Gefahr, die für das Geborgene Land aufzog: Die Botoiker könnten den Steinernen Torweg erstürmen.
Nicht einmal die Zwerge vermögen das Heer der Willenlosen aufzuhalten. Sie kennen keine Flucht, kein Zurück. Vor seinem geistigen Auge sah er die Albae eine Kette bilden und den ersten Zwerg in der Linie der Verteidiger berühren, der fortan unter dem Bann der Botoikerin stand. Das darf nicht sein.
Kôr’losôi wich einem herumrollenden Fass aus, das sich aus der Halterung gelöst hatte. Es riss zwei Matrosen hinter ihnen von den Füßen und brach ihnen die Beine, bevor es über Bord ging.
Die Getroffenen gaben keinen Ton von sich, sondern klammerten sich an den Verstrebungen der Reling fest, um dem Gefäß nicht zu folgen. Anscheinend war es ihnen verboten zu schreien, um keine zusätzliche Unruhe zu verbreiten, oder weil das Geschrei den Botoiker nervte.
»Wir Botoiker wollen nur in Frieden leben und sichern uns mit Streitkräften ab, die bedingungslos gehorchen«, erläuterte Kôr’losôi. »Für dich mag es merkwürdig aussehen. Dafür verstehen wir die Art der
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