Die Legenden der Albae: Tobender Sturm (Die Legenden der Albae 4) (German Edition)
Ingrimmsch’ Unmut. Hatte er sie nicht wissen lassen, dass er einen Zugang zu den freigelegten Stollen in den Seitenwänden benötigte?
Die bösen Vorahnungen bestätigten sich, als sie an das Loch herangeritten kamen: Es war bereits zu einem Drittel gefüllt.
»Bei Vraccas! Was bildet sich dieses Spitzohr ein?«, polterte er los und sprang vom Pony, um an den Rand zu laufen und hinabzuschauen. Die Stiefelsohlen patschten durch den Matsch, der Dreck spritzte an den Hosenbeinen hinauf.
Und es kam noch schlimmer: Eine Öffnung oder gar kleinere Höhlen in den Seitenwänden, von denen in der Beschreibung die Rede gewesen war, konnte Ingrimmsch nirgends mehr erkennen. Der hineingeschobene Dreck lag bereits zu hoch. Dazwischen erkannte er Klumpen und ganze Scheiben aus verbackenem Pech, Teer, Schlacke und Geröll. Was hat sie getan?
»Auf den ersten Blick will man meinen, das Wetter mache es uns schwerer. Aber tatsächlich erleichtert es uns die Arbeit. Das Wasser weicht den Boden auf, unsere Schieber tragen die weiche Schicht einfacher ab«, vernahm er die Elbinnenstimme hinter sich. Den harmlosen Plauderton schlug sie gewiss bewusst an, um ihm zu zeigen, dass sie sich keiner Schuld bewusst war.
Ho, da ist sie bei mir an den Falschen geraten. Ingrimmsch rieb sich über das Gesicht, um die Tropfen aus den Brauen, den Augen und dem Bart zu streifen, dabei wandte er sich um. »Ich hatte dich gebeten, das Auffüllen einzustellen, bis wir hier sind.«
»Ich hörte, dass niemand Balodil und Carmondai finden konnte und die Zwerge keine Krieger entbehren«, trug sie lächelnd zur Entschuldigung vor. »Das Abwarten erschien mir nach zwei Ausbruchsversuchen der Scheusale zu gefährlich.«
»Wie viele wollten denn hinaus?«
»Nicht wenige.« Fiëa blieb unbestimmt und höflich. In ihren Augen sah Ingrimmsch ganz deutlich, dass sie gefährlich nah an der Grenze zwischen Wahrheit und Lüge entlangtanzte. Sie deutete in das Loch. »Wir trieben sie mit heißer Schlacke zurück, danach füllten wir die Gänge so weit es ging mit einer Masse aus …«
»Die Gänge verstopft?«, schrie er sie an. »Ich kann mich nicht einmal nach unten graben, um in das Labyrinth zu gelangen?« Ingrimmsch spürte die Wut, die aufbrausende Art, die eine heiße Welle durch seinen Körper jagte. »Wie sollen die Freiwilligen nach Phondrasôn kommen?«
Klatschend ergoss sich eine neuerliche Ladung Schlamm durch den viele Schritte hohen und langen Schieber in das Loch, die graubraune Masse schwemmte in die winzigsten Lücken und schloss sie.
»Gar nicht.« Die Elbin war plötzlich abweisend. Leise trommelte der Regen auf ihre weiße Rüstung, die Spritzer trafen den Zwerg in die Augen, sodass er blinzeln musste. »Ich habe den Tapferen, die sich sinnlos in die Unterwelt begeben wollten, das Leben gerettet.«
»Du hast meinen Wunsch missachtet«, grollte er und ballte die Hände zu Fäusten.
»Ich habe das Geborgene Land beschützt, König Boïndil«, entgegnete Fiëa kalt. »Denn ich habe mehr im Blick als das Schicksal eines Einzelnen, der mit allzu riesiger Wahrscheinlichkeit nicht mehr lebt. Ich lasse nicht zu, dass meine Heimat, die auch die deinige ist, schon wieder vom Bösen heimgesucht wird.«
Ingrimmsch funkelte sie wütend an und glaubte, dass seine Augen wie Kohlenstücke glommen. Ich würde dich zu gerne dort unten begraben.
»Und dir zu Warnung, Freund Zwerg: Komme nicht auf den Gedanken, an einer anderen Stelle einen Schacht zu graben, bis du einen anderen Zugang findest«, sprach sie und beugte sich zu ihm. »Ich sagte, dass ich meine Heimat schützen werde.«
Er machte einen Schritt zurück, um ihr nicht an den Hals zu springen. »Ihr seid immer gleich«, rief er außer sich. »Tut freundlich und als ob ihr das Gute erfunden hättet, aber ihr mordet und droht ebenso berechnend wie die Schwarzaugen.« Er spuckte ihr vor die Füße, der Schauer schwemmte den Speichelfleck sogleich hinfort.
Fiëa lächelte nun nachsichtig, ganz ohne Hochmut. Der Regen rann durch ihre langen, weißen Haare und sickerte über ihre Stirn. »Ich verstehe deine schlechte Laune, da du eine Hoffnung in Trümmern geschlagen siehst und unverrichteter Dinge nach Hause ins Blaue Gebirge reiten musst.« Sie wollte ihm die Hand auf die Schulter legen, aber er wich ihr aus. »Sei ein König der Zweiten, kümmere dich um die Hohe Pforte und damit um das Geborgene Land, wie ich es auch tue. Aber lass die Toten in Frieden.«
Er ist … Ingrimmsch wusste nicht,
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