Die Legenden der Albae - Vernichtender Hass
sah und unverzüglich den Rückzug
befahl. Seine Rüstung glich dem Prunkharnisch eines Nostà roi. Sie wies keine
Dellen auf, nur gleiÃend gelbe und rote Blutspritzer. »Es gibt keine Gegner
mehr zu besiegen. Nach Dsôn! Rasch!«
»Was
bezwecken die Dorón Ashont damit?«, fragte Téndalor. »Wohin flieÃt das Wasser?«
Aïsolons
Gesicht drückte tiefe Sorge aus. »In ein altes Flussbett. Er stammt aus der
Zeit, als Dsôn Faïmon gegründet wurde. Unsere Ahnen hatten diesen Teil des
Flusses trockengelegt und den anderen zur Einspeisung des Wassergrabens
benutzt.« Er drehte sich um und rannte los. »Wir müssen sofort nach Dsôn und
die Bewohner warnen!«
»Der
unterirdische Lauf führt ins Schwarze Herz?« Téndalor hatte auf einmal einen
metallischen Geschmack im Mund. Er versuchte zu schlucken, doch es gelang ihm
nicht.
Der
Graben hatte bereits gut die Hälfte seines Wassers verloren, doch er wurde von
drei Flüssen gespeist, deren Fluten unaufhörlich nachströmten.
Téndalor
dachte an die Beschaffenheit des sternförmigen Reiches. Dsôn
wird sich füllen wie eine Wanne, und danach sind die Strahlarme dran! »Aïsolon! Wir müssen das Loch schlieÃen!«
Der
Heerführer sah ihn über die Schulter an. »Kannst du mir sagen, wie wir das tun
sollen? Die Ränder abstemmen? Die Erde wird davongespült werden, die Macht des
Wassers ist zu groÃ. Erst müssen wir die Albae in Dsôn warnen, danach sollen
sich die Gelehrten eine Lösung ausdenken. Wir vermögen die Fluten nicht
aufzuhalten.« Er rannte davon.
Téndalor
folgte ihm. Sein ganzer Körper fühlte sich taub an, er konnte kaum richtig
gehen. Er nahm sich irgendeinen Nachtmahr und ritt los, so schnell es ging, der
Hauptstadt entgegen, um die Bewohner vor den anrollenden Wassermassen zu
warnen.
Das
Tier, das er sich wahllos ausgesucht hatte, galoppierte schnell. Unerwartet
befand sich Téndalor an der Spitze derer, die voranpreschten.
Er
schloss zu Aïsolon auf. »Woher wussten die Dorón Ashont davon?«, rief er ihm
zu. »Wieso wussten wir es nicht, sodass wir so lange
mit dem Angriff gewartet haben?« Auch er als Benà moi der Inselfestung hatte
keinen Schimmer vom alten Flussbett gehabt.
»Möglicherweise
durch alte Aufzeichnungen ihrer Vorfahren. Und ich nehme an, dass sie das
restliche Heer durch den Flusslauf nach Dsôn führten.« Aïsolon sah äuÃerst
besorgt aus. »Das wird nicht gut enden, Téndalor. Die Gewalt des Wassers ist
zerstörerischer als jedes Katapult.«
Er kennt meinen Namen! Das kurzlebige Glücksgefühl
dar-über, dass der Anführer des Heeres wusste, wer er war, verging. Vor seinem
geistigen Auge sah er die Dorón Ashont rund um den Krater aufmarschiert und
jeden Alb, der sich vor der Ãberschwemmung retten konnte, erschlagen oder
zurück ins Wasser stoÃen.
Seite
an Seite galoppierten sie über die Ebene und näherten sich Dsôn. Die Nachtmahre
schienen zu spüren, was von ihrer rechtzeitigen Ankunft abhing, und zeigten
keine Ermüdung, obwohl ihnen der Schweià an den Flanken und am Hals
herabtropfte.
Die
Sonne erhob sich und zeigte den Albae eine schwefelgelbe Wolke, die über dem
Ort schwebte, an dem sich die Hauptstadt befand.
Téndalor
und Aïsolon näherten sich aus Nordwesten und sahen vier Meilen zu ihrer Linken
auf dem Kraterrand vor sich das Heer der Dorón Ashont. Es verharrte. Die ersten
Reihen schauten nach unten, während sich aus der Wand zu ihren FüÃen eine
breite Kaskade in den Kraterkessel ergoss.
Téndalor
brachte den Nachtmahr zum Stehen und sah hinab. Am liebsten wäre er
zersprungen: Es gab kein Dsôn mehr!
Gelbliche
Schwaden trieben über eine trübe, blubbernde Brühe. Auch wenn sie nicht allzu
hoch im Krater stand, ragten keine Gebäude, keine Dächer, nicht einmal mehr der
imposante Beinturm der Unauslöschlichen aus dem Dunst hervor, als hätte sich an
dieser Stelle niemals das Schwarze Herz von Dsôn Faïmon befunden. Es existierte
nur dieser zischende, brodelnde See.
»Säure«,
sagte Aïsolon neben ihm fassungslos. »Ihr Infamen, sie haben den Fluss in Säure
verwandelt!« Er starrte hinüber zu den Hunderten Dorón Ashont, die sich nicht
um die zwei Albae kümmerten. Ihre Fahnen wehten im Wind, über dem Mittelpunkt
des Albae-Reichs. »O ihr
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