Die Legenden der Blauen Meere, Band 1: Dreckswetter und Morgenröte (German Edition)
Lehrer der Kinder.« Percy verbeugte sich, so tief es sein Bauch gestattete.
»Und, ach ja, das ist Egbert«, murmelte Dad, seine Stimme fast unhörbar. Ich gab mir die größte Mühe, eine Verbeugung zu machen, aber ich war nicht sicher, ob es nicht eher an ein Huhn erinnerte, das Körner aufpickte.
Keiner von uns hatte viel Übung mit guten Manieren. Trotzdem lächelte uns Edith Pembroke an, als wären wir die königliche Familie. »Wir sind so aufgeregt, dass Sie uns besuchen kommen! Ich muss mich entschuldigen, aber der Bote, den Roger geschickt hat, um uns Ihren Besuch anzukündigen, ist gerade erst eingetroffen, Ihre Zimmer sind deshalb leider noch nicht ganz hergerichtet. Vielleicht trinken wir in der Zwischenzeit etwas auf der Veranda? Unsere Tochter Millicent ist gerade mit ihrem Unterricht fertig. Sie wird die Kinder gern herumführen.«
Sie drehte sich zum Haus und rief in fast melodischer Tonlage: »Millicent!«
Niemand antwortete. Mrs Pembroke rief noch einmal. »Millicent?!« Es klang immer noch melodisch, dieses Mal allerdings mit leicht drohendem Unterton.
»Bin schon unterwegs, Mutter …«, war eine Stimme aus der Villa zu hören, ebenso melodisch, sie schien sich jedoch zugleich über Mrs Pembroke lustig zu machen.
Dann trat Millicent Pembroke ins Sonnenlicht und ich bekam weiche Knie.
Sie hatte eine dicke honiggoldene Mähne und lange, schlanke Arme und Beine, die lässig, aber anmutig schwangen, als sie auf uns zukam. Die Art, wie sie lief, hatte etwas Gefährliches – sie erinnerte mich an bestimmte Piraten zu Hause auf Dreckswetter, und zwar an diejenigen, die den Ton angaben und ein fieses Grinsen draufhatten, das einem klarmachte, dass sie großen Spaß hatten und man selbst vielleicht auch, solange man ihnen nicht in die Quere kam, und falls doch, dass es danach kurz und brutal würde.
Ansonsten erinnerte sie überhaupt nicht an einen Piraten. Außer Venus kannte ich so gut wie kein Mädchen in meinem Alter, und die wenigen, die ich bisher gesehen hatte – in oder außerhalb der Läden auf der Himmlischen Straße –, machten den Eindruck, als ob sie steif, kurz angebunden und überhaupt nicht nett waren. Millicent war genauso gekleidet und trug ein blau-weiß kariertes Kleid, doch irgendwie fiel es anders an ihr. Als hätte die Tatsache, dass sie es trug, das Kleid in etwas verwandelt, das überhaupt nicht steif, sondern ein bisschen wild war.
Bei unserem Anblick legte sie amüsiert den Kopf schief. »Oh, hal-lo. Ich bin Millicent. Könnt ihr Krocket spielen?«
Mein Hirn war mit einem Schlag leer und träge und ich grübelte noch immer über ihre Frage nach, als Adonis rausplatzte: »Logisch. Was denkst du denn?«
»Machen wir ständig«, stimmte Venus zu.
»Es ist mein absolutes Lieblingsspiel. Kommt, wir spielen eine Runde!« Sie drehte sich um und lief in großen Sätzen über den Rasen um das Haus herum. Mein Bruder und meine Schwester rannten ihr hinterher und ich folgte wie in Trance.
Millicent führte uns in den Garten, wo das Krocket aufgebaut war – zumindest hielt ich es dafür. Ich hatte weder Ahnung, wie eine Krocketkugel aussah, ganz zu schweigen von Toren und Schlägern und Abschlag-, Wende-, Zielstäben. Ich kannte das Spiel bloß aus einem Buch, das ich gelesen hatte: Quimpy im College .
Garantiert waren Venus und Adonis noch ahnungsloser als ich. Doch sie taten beide, als wüssten sie genau Bescheid, und ahmten Millicent nach, als sie einen Schläger und eine Kugel vom Krocketwagen nahm.
»Mädels gegen Jungs. Nicht fluchen, wenn ihr verliert. Das ist der falsche Schläger.«
»Quatsch, isser nich.« Adonis warf sich in die Brust, als würde er das Spiel anführen.
»Doch. Entweder der Schläger ist falsch oder die Kugel – sie müssen zusammenpassen. Schau, hier –« Sie entriss Adonis die Kugel und tauschte sie gegen eine andere aus, bevor er sich beschweren konnte. Dann reichte sie Venus und mir farblich passende Schläger und Kugeln.
Millicent legte ihre Kugel vor den Abschlagstab und schmetterte sie durch zwei Tore.
»Extrapunkt!« Sie schlug die Kugel zwei weitere Male und traf wieder durch das Tor, nach einem vierten Schlag wandte sie sich an Adonis. »Du bist dran.«
Nach einem kurzen Zögern legte Adonis seine Kugel an die Stelle, wo sie angefangen hatte, versetzte ihr einen harten Schlag, so dass sie an den meisten Toren vorbei- und fast bis zu Millicents Kugel flog.
»Was sollte das denn? Willst du mit Absicht verlieren? Hier,
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