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Die Legenden der Blauen Meere, Band 1: Dreckswetter und Morgenröte (German Edition)

Die Legenden der Blauen Meere, Band 1: Dreckswetter und Morgenröte (German Edition)

Titel: Die Legenden der Blauen Meere, Band 1: Dreckswetter und Morgenröte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Geoff Rodkey
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uns etwas beizubringen. Was allerdings ein harter Job war. Als er anfing, konnte keiner von uns ein Wort lesen oder mehr zusammenzählen als unsere Finger, und wenn wir redeten, klangen wir wie Piraten. Das störte Mr Sutch besonders, denn er war ausgesprochen förmlich und konnte es nicht ertragen, dass wir nicht nur kein »ordentliches Rovisch« sprachen, sondern es auch völlig sinnlos fanden.
    »Sie verstehn uns doch, oder?«, sagte Venus. »Was soll also dieser ganze Quatsch?«
    »Verehrte junge Dame«, erwiderte er – sogar freundlich und nicht im Mindesten sarkastisch, schließlich war es noch immer sein erster Tag und Venus hatte ihn noch nicht gebissen –, »wie können Sie erwarten, eines Tages einen rovischen Prinzen zu heiraten, wenn Sie nicht in der Lage sind, sich wie eine Prinzessin auszudrücken?«
    Zurückblickend wäre es mir lieber gewesen, er hätte Venus nicht diesen Floh ins Ohr gesetzt, dass sie bloß »Sie« statt »Se« zu sagen brauchte, um einen Prinzen abzukriegen, denn sobald sich das zwischen ihren Ohren festgesetzt hatte, war es dort nicht mehr rauszubekommen, und noch Jahre später mussten wir uns ihre Tiraden zu dem Thema anhören. Doch vermutlich tat es seine Wirkung, denn im Gegensatz zu Adonis schaffte sie es tatsächlich, die Gossensprache abzulegen.
    Den Rest des Unterrichts hasste sie fast ebenso sehr wie Adonis. Was mich anbelangte, ich fand es toll – nicht so sehr wegen des Unterrichts selbst, sondern weil Mr Sutch der erste Mensch war, der mich nicht pausenlos verdrosch, weshalb ich es als echtes Vergnügen betrachtete, Zeit mit ihm zu verbringen. Ich gab mir die größte Mühe, manierlich mit ihm zu sprechen, zu lesen und zu addieren und zu subtrahieren und sogar zu multiplizieren, auch wenn die Multipliziererei ziemlich knifflig sein konnte.
    Als Venus und Adonis sich bei Dad über den Unterricht beschwerten, hielt ich deshalb die Klappe. Glücklicherweise erreichten sie überhaupt nichts.
    »Wozu solln wir das lernen?«, meckerte Adonis. »Ist doch dämlich!«
    »Ach was, genau andersrum. Ihr müsst lernen, weil ihr dämlich seid.«
    »Wozu soll’n das gut sein?«
    »Weil’s euch guttut!«
    »Warum?«
    »Is so.«
    »Warum?«
    »Weil eure Mutter es so wollte!«
    Ende der Diskussion. Mein Bruder und meine Schwester durchbohrten mich also nur mit Blicken und steckten wieder die Nase in ihre Fibeln, doch sobald Dad auf den Obstfeldern verschwand – was meistens der Fall war –, machten sie Mr Sutch das Leben so schwer wie möglich. Nicht dass er noch großartig Hilfe gebraucht hätte, um sich auf Dreckswetter elend zu fühlen.
    Ich hatte die letzte seiner Fibeln fast durch und fand allmählich Gefallen am Lesen, da verschwand er von einem Tag auf den anderen. Venus und Adonis behaupteten zwar gern, er wäre von einem Feldpiraten ermordet worden, doch es war sicher kein Zufall, dass er ausgerechnet zu dem Zeitpunkt verschwand, als das Frachtschiff zu den Fisch-Inseln den Anker lichtete.
    Dad hätte wohl wieder einen Handzettel losgeschickt, doch dann ging der Barker-Krieg los und die nächsten zwei Jahre segelte nichts auf den Blauen Meeren, das nicht mindestens zwanzig Gewehre an Bord hatte. Es war eine harte Zeit – während der letzten paar Kriegsmonate hatten wir nur noch Stinkfrüchte zu essen und bekamen alle Dünnschiss.
    Der Krieg erhielt seinen Namen von den Barker-Inseln, weit im Süden, wo die meisten Kämpfe stattfanden. Wie alle kriegerischen Auseinandersetzungen in den Neuen Ländern fand er zwischen Cartagiern und Roviern statt. Sie waren die beiden einzigen kontinentalen Mächte mit Kolonien diesseits des Großen Schlunds, und außer den Eingeborenen die einzigen Menschen dort. Da die Eingeborenen jedoch weder über Waffen noch Schiffe verfügten und fast vollständig von den Inseln vertrieben worden waren, hatte ich noch nie welche aus der Nähe gesehen. Auf dem Festland lebten immer noch einige Stämme – von dort stammte das Gold auf den cartagischen Schatzschiffen –, doch es war mehrere Tagesreisen entfernt, außerdem gab es keinerlei Anlass, dorthin zu fahren. Bis auf ein paar cartagische Häfen wie Pella Nonna war dort nur Wildnis.
    Nur einmal bekamen wir wirklich einen Kampf aus der Nähe mit. Es begann als entferntes Grummeln in der Dunkelheit, mit Unterbrechungen ähnlich wie Donner, aber nicht ganz, und anfangs wirkte es kaum bedrohlich. Doch Dad scheuchte alle aus den Betten, belud uns mit sämtlichen Vorräten, die wir schleppen

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