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Die Legenden der Blauen Meere, Band 1: Dreckswetter und Morgenröte (German Edition)

Die Legenden der Blauen Meere, Band 1: Dreckswetter und Morgenröte (German Edition)

Titel: Die Legenden der Blauen Meere, Band 1: Dreckswetter und Morgenröte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Geoff Rodkey
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»Ich bin sooooooooo froh, dass uns die Kurzohren nicht aufgefressen haben.«
    »Egbert hättense von mir aus ruhig futtern können«, mischte sich Adonis ein. Dann kicherte er los – er fand es auch bei der zigsten Wiederholung lustig – und klatschte mir noch eine.
    Bei Ende des Krieges waren wir halb verhungert – und, was mich anbelangte, nicht nur essensmäßig. Ich hatte durch Mr Sutchs Fibeln Geschmack am Lesen gefunden, doch die waren leider allesamt mit ihm verschwunden und die Grundlagen des Obstanbaus wurden allmählich ziemlich öde, vor allem, wenn man sich überlegt, dass es eigentlich keine richtige Geschichte war. Außerdem hatte ich sie so oft gelesen, dass ich lange Abschnitte auswendig aufsagen konnte.
    »Was liest’n ständig dieses Buch?«, hatte Dad mich einmal gefragt.
    »Wir haben kein anderes«, antwortete ich.
    Bei dieser Bemerkung zog er nur ein grimmiges Gesicht, doch es schien ihm nicht mehr aus dem Kopf zu gehen, denn als die Frachtschiffe wieder verkehrten und er eine neue Suchanzeige wegen eines Lehrers losschickte, schrieb er in dicken Großbuchstaben »MUS BÜCHER HAM« darunter. Im Stillen hatte ich meine Bedenken wegen seiner Rechtschreibung, aber ich traute mich nicht, sie zu verbessern – und vermutlich war auch so klar, was gemeint war, denn als Percy schließlich aufkreuzte, brachte er fast eine Wagenladung Bücher mit.
    Ich kann mich immer noch genau daran erinnern, wie Percy und seine Bücher auf einem der Früchtekarren auf das Haus zuschlingerten, die Pferde hatten Schaum vor dem Maul von der Anstrengung und Percys Riesenwampe wabbelte bei jeder Unebenheit. Ich fiel vor Freude fast in Ohnmacht – ich hatte noch nie so viele Bücher gesehen und ich wusste auf der Stelle, dass der Mann, der sie zu uns brachte, der wichtigste Mensch in meinem Leben werden würde: Lehrer, Freund und Retter, alles in einem einzigen großen, dicken, verschwitzten Paket.
    Es stellte sich heraus, dass ich mich – außer was Fett und Schwitzen betraf – gewaltig in Percy getäuscht hatte. Was schreckliche Menschen anbelangt, war er Venus meilenweit überlegen und Adonis übertraf er auch.
    Doch bei seiner Ankunft hielten wir ihn erst mal für eine Art Genie. Nicht nur, weil er so viele Bücher besaß (von denen wir annahmen, dass er sie gelesen hatte), sondern weil er sich auch benahm, wie man es von einem Genie erwartete – er verachtete uns wegen unserer Unwissenheit und war in der Lage, ohne lange nachzudenken, mit allen möglichen Behauptungen um sich zu werfen.
    Percy konnte einem alles erklären: woher der Wind kam (aus einem Riesenloch im Himmel, irgendwo westlich der Neuen Länder), warum Meerwasser salzig war (Fischkacke), ob man Brüche miteinander multiplizieren konnte (kann man nicht, und falls man es doch versuchte, würden sie auseinanderbrechen). Er protzte ständig mit seinem Wissen – will heißen, während der halben Stunde am Tag, in der Dad in Hörweite war. Den Rest der Zeit legte er sich aufs Ohr – wenn er nicht gerade aß. Das tat er so oft, dass Quint sich angewöhnte, unsere Essensvorräte nicht mehr in der Speisekammer, sondern in Säcken draußen hinter einem Holzstapel zu bunkern. Manchmal machten sich die Ratten darüber her, aber selbst die ließen mehr für uns übrig als Percy.
    Nachdem Percy ziemlich schnell durchschaut hatte, wie es bei uns zu Hause lief – dass Dad wollte, dass wir eine Ausbildung erhielten, selbst aber nicht genau wusste, was das sein sollte –, schloss er einen Handel mit Venus und Adonis ab: Wenn sie so taten, als lernten sie, würde er so tun, als unterrichte er sie; solange sie ihn in Frieden ließen, kümmerte es ihn nicht, was sie mit ihrer Zeit anfingen.
    Am Anfang ignorierte er mich und scherte sich einen Dreck darum, dass ich seine Bücher las. Allerdings dauerte es nicht lange, bis ich durchschaut hatte, dass Percy der totale Blender war und keine seiner Behauptungen Hand und Fuß hatte.
    Danach gab er sich die größte Mühe, mich für eine Weile von den Büchern fernzuhalten – meistens mit Hilfe eines Knüppels, den er in Anbetracht seiner sonstigen Trägheit ziemlich schnell schwingen konnte. Die Situation war für uns beide unvorteilhaft: Ich konnte nicht lesen und er nicht schlafen. Also schlossen wir irgendwann unser persönliches Abkommen: Ich hielt die Klappe und verriet Dad nicht, dass Percy ein Schwindler war – und er ließ mich die Bücher lesen.
    Für mich war das in Ordnung, denn auch wenn ich

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