Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Legenden der Blauen Meere, Band 1: Dreckswetter und Morgenröte (German Edition)

Die Legenden der Blauen Meere, Band 1: Dreckswetter und Morgenröte (German Edition)

Titel: Die Legenden der Blauen Meere, Band 1: Dreckswetter und Morgenröte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Geoff Rodkey
Vom Netzwerk:
er und deutete mit einem Kopfnicken auf das Buch.
    Aus Dads Mund war das eine seltsame Frage. Außer für die Kassenbücher, über denen er manchmal am langen Tisch im Wohnzimmer brabbelte, hatte er keinerlei Verwendung für Papier, für Bücher schon gar nicht.
    »Wie, in dem Buch?«
    »Ja. Lose Blätter oder so. Um was aufzuschreiben.« Er hob eine seiner rissigen Pranken und fuchtelte seltsam in der Luft herum, wobei er Finger und Daumen aneinanderlegte, als würde er etwas schreiben.
    »Nur die Buchseiten«, antwortete ich. »Ich könnte ein paar herausreißen.«
    Er schüttelte den Kopf. »Percy hat Papier, oder? Für Unterricht und so?«
    »Er hat Pergament. Liegt im Wohnzimmer.«
    Er ging aufs Haus zu und verschwand so schnell darin, dass ich mit dem Holz kaum an der Veranda war, als er wieder herausgeschossen kam, ein Blatt Pergament in der einen und einen Kohlestift in der anderen Hand. Er stürmte wortlos an mir vorbei und den Berg hinauf.
    Im Haus kam Percy aus dem Wohnzimmer und rieb sich die schlafverquollenen Augen. Er warf mir einen finsteren Blick zu, als wäre es meine Schuld, dass Dad sein Nachmittagsnickerchen unterbrochen hatte.
    »Was in drei Teufels Namen will dein Vater mit einem Stift?«
    Die Sonne war untergegangen und wir saßen gerade alle um den Esstisch und verspeisten Quints Eintopf, da kam Dad schließlich zurück. Der Stift und das Pergament waren verschwunden, doch der verblüffte Gesichtsausdruck war noch da. Er marschierte ohne einen Ton an uns vorbei, ging zum Herd und nahm sich eine Schale Eintopf. Er aß ein paar Löffel, lehnte sich gegen den Küchenschrank und starrte ins Leere, während wir ihn alle neugierig beobachteten.
    »Daddy?«, rief Venus mit kläglichster Stimme in seine Richtung, während sie eine Strähne ihrer dunklen fettigen Haare um den Finger wickelte. »Denkst du über das Pony nach?«
    Vor einer Weile hatte ich den Fehler begangen, meiner Schwester zu erzählen, dass in einem von Percys Romanen ( Sündenpfuhl Upper Mattox , der bis auf ein paar gute Kampfszenen und ein Wagenrennen total öde war) ein Mädchen vorkam, das einen Prinzen heiratete. Venus stürzte sich quiekend auf das Buch, und auch wenn sie es nicht selbst las, bezirzte sie Quint, es ihr zum Schlafengehen vorzulesen. Das Einzige, was sie davon behielt, war, dass das betreffende Mädchen reich war und ein Pony besaß. Venus entschied, dass das Pony das Entscheidende an der ganzen Sache war und dass sie, wenn sie nur eines in die Finger bekäme, automatisch reich wäre, und wenn sie erst mal reich war, wäre die ganze Prinzen-Heirats-Geschichte ein Selbstläufer.
    Deshalb löcherte sie Dad seit einem halben Jahr, ob er ihr ein Pony kaufen würde. Ich konnte beim besten Willen nicht verstehen, warum er ihr nicht einfach eine klebte, um der Angelegenheit ein Ende zu bereiten.
    »Haste Stress mit Egbert? Soll ich ihm zeigen, wo der Hammer hängt?« Adonis hob die Faust und schwang sie in meine Richtung. Ich rutschte auf meinem Stuhl hin und her und bereitete mich darauf vor, gegebenenfalls in Deckung zu gehen.
    Dad beachtete beide nicht. Er aß noch einen Löffel Eintopf, dann stellte er die Schüssel hin und wischte sich den Mund mit dem Ärmel ab. Er kratzte sich gedankenverloren den Bart, dann verkündete er: »Zieht eure besten Klamotten an. Beim ersten Lichtstrahl fahrn wir nach Morgenröte.«
    In dieser Nacht bekam ich kaum ein Auge zu. Zum Teil, weil ich wegen des Ausflugs so aufgeregt war – Fahrten nach Morgenröte waren selten und wunderbar, und wir waren noch nie außerhalb der Feiertage dorthin gefahren. Zum anderen, weil der nächste Tag mein dreizehnter Geburtstag war, und zum ersten Mal, seit ich denken konnte, würde ich an meinem Geburtstag etwas anderes tun, als mit meiner Familie die andere Seite des Vulkans hinaufzustapfen, um dem Grab meiner Mutter einen Besuch abzustatten.
    Vor allem aber konnte ich deswegen nicht schlafen, weil Adonis immer wieder in mein Zimmer platzte, um mich mit einem Knüppel zu verhauen.
    Das war kein Zufall – Adonis wusste, dass Dad mich allein zurücklassen würde, falls ich verschlief, und versuchte mich so fertigzumachen, dass genau das passierte. Es hatte schon einmal funktioniert und zwei andere Male ganz knapp. Dazu musste er natürlich selbst die halbe Nacht aufbleiben und war am nächsten Tag fix und fertig und stinkig. Man sollte denken, dass es ihm den Ausflug nach Morgenröte verderben würde, aber dieses Risiko schien Adonis die Sache

Weitere Kostenlose Bücher