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Die Legenden des Raben 01 - Schicksalswege

Die Legenden des Raben 01 - Schicksalswege

Titel: Die Legenden des Raben 01 - Schicksalswege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Barclay
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wieder leer waren.
    Selik wandte sich an seine Männer. »Falls es eine eindringlichere Darstellung des Bösen gibt, mit dem wir es zu tun haben, dann ist sie mir noch nicht begegnet. Sitzt auf, wir reiten zur Burg. Wir reiten stolz mitten über den Marktplatz.«

Neuntes Kapitel
    Selik und seine Männer ritten langsam durchs Zentrum von Erskan. Die verwahrlosten Menschen der einstmals stillen, freundlichen Stadt waren ein Spiegel für das Übel, das ganz Balaia befallen hatte. Die Straßen waren verschmutzt und verlassen bis auf einige Lumpensammler, die nach Resten suchten, die sie kaum finden würden. Die Schwarzen Schwingen waren im Nu von Bettlern umringt, von denen es recht viele gab. Einige waren schon als Bettler geboren, und ihnen ging es jetzt besser als ihren einst wohlhabenden Konkurrenten, die elender und schmaler aussahen als jene, auf die sie vor kurzer Zeit noch herabgeschaut hatten.
    Auf dem Markt waren zwar noch einige Händler vertreten, doch Selik sah keinen einzigen Stand mit Lebensmitteln. Auch Silber und Gold waren kaum im Angebot. Gegen ihre günstig feilgebotenen Waren wollten die Händler vor allem Brot, Fleisch und Getreide eintauschen. Die Gasthöfe am Rand des Platzes waren geschlossen, und die anderen Geschäfte zugenagelt. Wer nicht bettelte oder zu schachern versuchte, lief mit abgestumpftem
Gesicht umher. Auch das konnte Selik verstehen. Das Unheil war mit atemberaubender Geschwindigkeit über Balaia hereingebrochen, und die Leute konnten es nicht fassen.
    In den Seitenstraßen verwesten Leichen, die man einfach liegen gelassen hatte, einige lagen offenbar schon seit Monaten dort. Die ganze Stadt stank nach Verfall und Krankheit, doch in gewisser Weise war sie auch sauberer als früher. Keine einzige streunende Katze war zu sehen, kein Hund rannte herum und keine Ratte huschte über die Straße. Die Tiere waren längst in den Mägen der verzweifelten Menschen gelandet.
    Selik erreichte die Burg und fand genau das vor, was er erwartet hatte. Das Fallgatter war herabgelassen, die Türen waren geschlossen, auf den Wehrgängen am Torhaus standen Wächter und hielten die Bogen bereit.
    »Wir haben nichts«, rief einer herunter. »Und was wir haben, geben wir unserem Volk. Hier ist für Reisende nichts zu holen. Macht, dass Ihr weiterkommt.«
    »Ich will nichts weiter, als einige Minuten mit eurem Lord reden. Ich bin Selik, und dies ist meine Truppe, die Schwarzen Schwingen. Wir haben genügend Nahrung, und unsere Pferde grasen auf offenen Wiesen. Könnte ich mit ihm sprechen?« Seliks gesundes Auge richtete sich auf die Wehrgänge. Erskans Banner flatterten trotzig im Wind, also war der Burgherr daheim.
    »Was wünscht Ihr mit ihm zu besprechen?«
    »Ich will Balaia seinen früheren Glanz zurückgeben, was uns wohl allen am Herzen liegen dürfte.«
    Es gab einen kurzen Wortwechsel, dann nickte der Mann.
    »Ihr dürft eintreten. Eure Männer bleiben draußen.«
    »Selbstverständlich«, sagte Selik. »Ich danke Euch.«

    Er hörte, wie das Gatter gehoben wurde und über die Mauern des Torhauses stieg. Die Tore öffneten sich krachend, und Selik ritt allein hinein. Im Hof hinter der Tür hatten sich Bewaffnete aufgestellt. Erskan war ein nervöser Mann.
    Im Hof stieg Selik ab und ließ sich das Pferd abnehmen, dann wurde er zum Burgfried geführt. Ein Knappe begleitete ihn durch eine große Empfangshalle mit dunkel gefärbten Wandbehängen, auf der rechten Seite durch eine Tür und dann eine kurze Treppe hinauf. Von einem Flur gingen vier oder fünf Türen ab, und er wurde durch die erste komplimentiert.
    »Nehmt Platz, Sir«, sagte der Knappe. »Lord Erskan wird gleich kommen.«
    Selik befand sich nun in einem kleinen, kalten Zimmer. An der hinteren Wand gab es einen kalten Kamin, durch die Buntglasfenster auf der rechten Seite fiel etwas Licht herein. Die spärliche Einrichtung bestand aus einigen Lehnstühlen vor dem Kamin, zwei niedrigen Tischen und Erskans Wappen über der Feuerstelle.
    Selik hielt es für besser, den Burgherren stehend zu erwarten, und trat ans Fenster, um hinauszuschauen. Die Stadt breitete sich stumm und leidend vor der Burg aus. Er seufzte und zog sich die Kapuze tief über die Augen. Hinter ihm öffnete sich knarrend die Tür.
    »Es ist noch gar nicht so lange her, dass ich Euch aus der Stadt gejagt hätte, Mann der Schwarzen Schwingen.«
    Selik drehte sich zu Lord Erskan um, der von seinem Knappen begleitet wurde. Der Bursche trug ein Tablett mit zwei Gläsern und

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