Die Legenden des Raben 01 - Schicksalswege
Hof und zu seinem Pferd. Er war gereizt, aber nicht überrascht über Erskans Reaktion. Davon durfte er sich allerdings nicht beeindrucken lassen. Jetzt musste er sich auf das konzentrieren, was ihm in diesem Augenblick zur Verfügung stand. Die Geschwindigkeit seiner Pferde auf offener Straße.
Schließlich war ein Tagesmarsch kein großer Vorsprung. Nicht, wenn man wusste, wie man es anzufangen hatte.
Yron blickte über die Feuer hinweg zum undurchdringlichen Schatten des Regenwaldes. Zum ersten Mal, seit er den Fuß auf Calaius gesetzt hatte, fühlte er sich wohl. Seine Männer waren vom Basislager zurückgekehrt und hatten berichtet, dass sich der Zustand der Leute, die von Fieberanfällen und Schlangenbissen betroffen waren, etwas gebessert hatte. Etwa eine Stunde nach Mitternacht konnten sie alle ein entspanntes Mahl einnehmen.
Am Rande des Rings aus Feuern waren vor dem Tempel Wachtposten aufgestellt worden, doch nachdem das Lagerzelt aufgebaut und alles Essbare gut versiegelt eingelagert war, hielt er es nicht mehr für nötig, dort eine dauerhafte Wache aufzustellen. Sie hatten im Zelt und im Tempel genug Holz gestapelt, um die Feuer noch zwei Nächte in Gang zu halten, und vom Tempel aus konnte er sogar den Regen gelassen betrachten, der in regelmäßigen Intervallen fiel und stark genug war, um die Flammen zu löschen und seine Männer in Deckung rennen zu lassen.
Er drehte sich um und kehrte in den von Laternen erhellten kühlen Tempel zurück. Die Segeltuchplane fiel herunter und versperrte den Eingang. Nachdem sie die Plane nicht am Stein selbst hatten befestigen können, hatten sie sie an einen Baumstamm gehängt, der auf dem breiten Türsturz lag.
Als seine Männer sich entspannten und Hoffnung schöpften, dass sie doch noch lebendig nach Balaia zurückkehren konnten, begannen sie gelassen zu plaudern. Das Schwierigste hatten sie hinter sich. Jetzt mussten sie nur noch darauf warten, dass sich die verschiedenen Steintüren öffneten. Das war lästig, aber auszuhalten.
Lächelnd ging Yron zum Becken und zog die Hand durch das kühle Wasser. Er hatte das Wasser im Laufe des Tages oft angestarrt und sich vorgestellt, wie es wäre, in das reinigende Nass einzutauchen. Er schätzte, dass es acht bis zehn Fuß tief und groß genug war, um jeweils ein Viertel seiner Männer aufzunehmen. Es war ein Geschenk, und sie hatten sich das Recht verdient, es zu benutzen.
Er stand auf und schnallte seinen Gürtel ab.
»Ben, es ist so weit«, verkündete er.
Rechts von ihm stieß ein Mann einen Hochruf aus, und Gelächter erhob sich leise hallend im kreisrunden Raum.
»Teilt die Leute in vier Gruppen ein, die erste kommt zu mir, so schnell ihr euch ausziehen könnt.«
Wieder ein Hochruf, in den noch mehr Männer einstimmten, einige klatschten sogar. Die Stimmung besserte sich merklich. Yron zog sich das Hemd über den Kopf, knöpfte die Hose auf, zog sie und sein Lendentuch herunter, ließ alles auf einem Haufen liegen und sprang ins Becken.
Es war eiskalt, belebend und wundervoll. Er brach durch die Oberfläche, stieß einen erfreuten Ruf aus und fuhr sich mit den Händen übers Gesicht und durch die Haare. Er tauchte wieder unter und spürte, wie das Wasser den Schmutz von seinem ganzen Körper wusch. Er öffnete die Augen, tauchte ein Stückchen hinab und sah ein kompliziertes Mosaik am Boden, das Fische, Pflanzen und eine einsame schwimmende Gestalt zeigte, die im bewegten Wasser zum Leben zu erwachen schienen. Er fragte sich, wo der Ablauf des Beckens ins Erdreich liegen mochte, dann hörte er das Klatschen, mit dem die anderen Männer ins Wasser sprangen.
»Bei den fallenden Göttern, das ist wundervoll!«, stimmte er in die begeisterten Rufe ein.
So war es. Er hatte sich noch nie in so kurzer Zeit so gut erholt. Als hätte das Wasser nicht nur seinen Körper, sondern auch seinen Geist und sein ganzes Wesen gereinigt. Er fühlte sich beschwingt und lebendig. Er legte sich auf den Rücken und ließ sich im Wasser zur Statue treiben, aus deren gestreckter Hand das Wasser strömte. Als er sich darunter befand, konnte er sehen, dass die Hauptleitung aus Stein und gebranntem Ton bestand. Die Leitung
teilte sich, damit das Wasser aus Daumen und Zeigefinger strömen konnte.
Weiter hinten gab es einen dritten Strang, der zum Fuß der Statue führte. Seltsam, dass der Zustrom ins Becken auf diese Weise eingeschränkt wurde, dachte er. Sie hatten sicher ihre Gründe gehabt, doch von der Stelle aus, an
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