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Die Legenden des Raben 03 - Schattenherz

Die Legenden des Raben 03 - Schattenherz

Titel: Die Legenden des Raben 03 - Schattenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Barclay
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war.
    Es lag bei Auum, den richtigen Zeitpunkt zu bestimmen. Er musste zugeben, dass es schwierig werden würde, ungesehen ins Kolleg einzudringen. Er und vier andere TaiGethen-Zellen beobachteten das Kolleg bereits seit fünf Tagen. Die Elitekrieger und Jäger der Elfen waren die ganze Zeit über unbemerkt geblieben und hatten nach Lücken und Zugängen und – ebenso wichtig – nach möglichen Fluchtwegen Ausschau gehalten.
    Xetesk war jedoch äußerst wachsam. Seit das Bruchstück der Statue des Yniss von einem ihrer eigenen Leute gestohlen worden war, gingen die Wächter des Kollegs unermüdlich auf Streife. Tore und Türen waren verstärkt worden,
die Patrouillen waren verdoppelt und verdreifacht worden, und die Mauern waren gut ausgeleuchtet. Magier verstärkten die Bogenschützen auf den Wällen, und an den vier Torhäusern wurden alle überprüft, die sich der Stadt näherten. Die Tore öffneten sich jeweils nur für kurze Zeit, um einige wenige Menschen einzulassen.
    Auum beobachtete die Wächter. Es waren junge Männer, ängstlich und unerfahren. Seine Tai hätten sie töten können, ehe sie überhaupt bemerkten, dass sie angegriffen wurden, doch das war nicht nötig und hätte nur unerwünschte Aufmerksamkeit auf sie gezogen. Trotz des Diebstahls lag ihm nichts daran, möglichst viele Xeteskianer zu töten. Die meisten Männer, die er beobachtet hatte, waren wie diese drei. Rekruten, die sich keine Vorstellung von den Verbrechen machten, die ihre Vorgesetzten begangen hatten.
    Im Innern des Kollegs sah es sicher nicht anders aus. Er als Anführer der TaiGethen wollte im Grunde nur die heiligen Texte zurückholen, die ihnen entwendet worden waren. Er wollte sie nach Aryndeneth zurückbringen, zum Tempel von Yniss, tief im Regenwald von Calaius. Er wollte verhindern, dass die Magier von Xetesk diese Texte benutzten. Zweifellos hatten sie schon mit den Forschungen begonnen, um sich die Elfen gefügig zu machen. Die Rache an denen, die dieses Verbrechen begangen hatten, konnte warten.
    Er wandte sich an seine Tai, an die Elfen, denen er jeden Tag sein Leben anvertraute und die auf gleiche Weise auch ihm vertrauten. Duele und Evunn hatten die dunkelgrüne und braune Tarnbemalung aufgelegt, die ihnen im Wald so gute Dienste leistete. Auch hier, in den stinkenden Gassen und den stillen, engen Nebenstraßen von Xetesk hatte sie sich bewährt. Es war für Auum eine fremde Landschaft,
auch wenn er sich deren Gegebenheiten zunutze zu machen wusste. Sie hatten zu Yniss, dem Gott der Harmonie, gebetet, und zu Tual, der Herrin aller Bewohner des Regenwaldes. Mehr als einmal hatte Auum sich gefragt, was die Götter der Elfen denken mochten, wenn sie nun auf ihr Volk hinabschauten.
    Die Stadt war ein übler Platz, er schauderte vor Ekel. Sie schien ihn zu bedrängen und beleidigte alle seine Sinne. Die TaiGethen waren weit von ihrer Heimat entfernt, von der Umarmung des Waldes und den Rufen der Vögel, von den Gerüchen der Pflanzen und Tiere und dem Regen.
    »Diese Stadt setzt mir zu«, sagte Auum. »Wir müssen uns draußen vor den Mauern versammeln und austauschen, was wir in Erfahrung gebracht haben.«
    »Wir werden alle Tai brauchen, um hineinzukommen, und dazu alle Magier der Al-Arynaar, um uns zu decken.«
    »Es sieht nicht gut aus«, fügte Evunn hinzu.
    »Wir sind die TaiGethen«, erwiderte Auum. »Wir werden siegen. Wir verrichten Yniss’ Werk, und er wird uns nicht im Stich lassen.«
    Die Tai verstummten und warteten reglos, als hinter ihnen ein Geräusch ertönte. Die enge Gasse, in der sie sich fünfzig Schritte vor der Mauer des Kollegs versteckt hatten, führte zwischen armseligen Wohn- und Lagerhäusern hindurch zum zentralen Tuchmarkt. Es war keine Durchgangsstraße, und außer Dieben trieb sich hier kaum jemand herum. Zwei, die kurz zuvor den Fehler begangen hatten, den Tai über den Weg zu laufen, lagen zwanzig Schritte weiter im Gebüsch.
    Auum forderte Duele auf, seinen Bogen von der Schulter zu nehmen. Er und Evunn zogen die Kurzschwerter und öffneten die Beutel mit den Jaqrui. Wieder trug der leichte Wind das Geräusch durch die Gasse zu ihnen. Auum sah
sich um, konnte aber nichts erkennen. Dunkel standen die Häuser, stumm und düster. Die Luft war drückend und kalt, außer dem Gestank der Stadt konnte er nichts riechen. Doch irgendjemand kam näher und machte keine Anstalten, sein Kommen zu verbergen.
    Er sang sogar.
    Es war ein stockender Gesang, weil die Erinnerung versagte, und die Worte

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