Die Legenden des Raben 03 - Schattenherz
ihrem eigenen Volk«, sagte er. »Wir legen für denjenigen, der entkommen ist, eine blutige Spur.«
Sie arbeiteten leise und verschwanden wie ein Flüstern im Wind.
Langsam wurde Heryst sich wieder seiner Umgebung bewusst. Er befand sich in den Gemächern neben dem Großen Saal. Gut versorgte Laternen spendeten ein weiches Licht, der Geruch von Heilkräutern tat seiner Nase gut und half ihm, seine Gedanken zu klären wie Wasser, das losen Schmutz fortspült. Er streckte sich auf den Kissen aus und öffnete die Augen. Am Fußende des Betts wartete Kayvel.
»Wie lange?«, fragte er.
»Genau eine Stunde«, antwortete Kayvel. »Es war ein bemerkenswert präziser Spruch. Ich nehme an, es war Denser? Es war jedenfalls xeteskianisch.«
»Wer denn sonst?«, fragte Heryst.
»Seid Ihr verletzt?«, fragte Kayvel, während er ums Bett herumkam.
»Wollt Ihr darauf wirklich eine Antwort haben?« Heryst lächelte beinahe. »Da müsst Ihr Euch aber mehr Mühe geben.«
»Meint Ihr, so viel Mühe, wie der Rabe sich gegeben hat, Mylord?«
»Sarkasmus ist ein schlechter Ersatz für Humor. Besonders zu dieser nachtschlafenden Zeit.« Heryst drehte sich herum und stellte die Füße auf den kalten Steinboden. Er genoss das Gefühl. »Macht Euch nützlich und holt mir ein Glas Wasser.«
Kayvel wandte sich zum Krug und dem Kristallglas um, die neben dem Bett auf einem Tablett bereitstanden. »Das ging zu leicht.«
»Oh, nein«, sagte Heryst. »Sie haben es sich leicht gemacht.«
»Ihr habt sie nicht sofort aus der Stadt gejagt, Mylord. Ihr habt sie im Kolleg Waffen tragen lassen.«
»Die sie außer zu Drohungen nicht benutzt haben. Es waren wirkungsvolle Drohungen, aber mehr war es nicht.
Dennoch, diesen Trick im Hof habe ich nicht vorhergesehen. Ich dachte, ich hätte alles im Griff, aber das war klug. Sobald sie drinnen waren, hatten sie leichtes Spiel. Allerdings hätte ich es für unmöglich gehalten, dass sie herauskommen …« Er unterbrach sich und ging die Ereignisse im Geiste noch einmal durch. Mit einem Zug leerte das Glas, das Kayvel ihm gereicht hatte, und wischte sich mit dem Handrücken den Mund ab.
»Ich habe es gesehen«, sagte er. »Und gefühlt. Sagt mir nicht, es wäre Euch entgangen.«
Kayvels Gesicht sprach Bände. »Es war, als hätte mir jemand einen Haken ins Rückgrat gesetzt.«
»Sie müssen verfolgt werden«, sagte Heryst, »und gebt unserer Delegation in Dordover und den wichtigsten Gefechtsmagiern Bescheid. Ich will wissen, wie weit die Energie zu spüren war. Ihr könntet auch mit unseren Gästen aus Dordover sprechen. Zweifellos befinden sie sich bereits in der Kommunion.«
»Vieles von dem, was Ihr sagt, liegt auf der Hand. Eine Verfolgung würde sich jedoch schwierig gestalten. Wir haben sie bereits verloren, wissen aber mit einiger Sicherheit, wohin sie wollen. Wir können abwarten.«
»Erienne ist die wichtigste Waffe in diesem Krieg«, sagte Heryst. »Ich will sie nicht an Xetesk verlieren. Auch nicht an Dordover. Also gut. Seht zu, dass unsere Kräfte vor dem Raben gewarnt werden, und nennt Darrick als Grund, warum sie festgenommen werden müssen.«
»Was ist mit Izack?«
Heryst zog die Augenbrauen hoch. »Ich will es mal so sagen: Ich glaube nicht, dass in diesem Fall auf die Kavallerie Verlass ist.«
»Aber wenn er einen klaren Befehl bekommt …«
»Oh, er wird sich nicht weigern und unsere Bemühungen
auch nicht hintertreiben. Aber wir sind weit vom Schlachtfeld entfernt. Ihr müsst jederzeit damit rechnen, dass er anderweitig stark beschäftigt ist.«
Darrick ließ den Raben in einer stillen Seitenstraße zwischen Lagerhäusern anhalten. Er sprang aus dem Sattel und marschierte zu Hirad, zog ihn an sich und umarmte ihn.
»Danke«, sagte er. Erleichterung durchflutete ihn, als er sich wieder von Hirad löste.
Der Barbar zuckte mit den Achseln. »Du gehörst zum Raben. Es kam doch nicht infrage, dich im Stich zu lassen.«
»Das haben wir gut gemacht«, bemerkte Denser und ging zu Erienne, die der Unbekannte vom Pferd gehoben hatte. »Wir haben dich von einem geachteten General und einem Volkshelden in einen Deserteur verwandelt, und jetzt bist du sogar ein Gesetzloser. Das ist eine schöne Karriere.« Erienne schmiegte sich an ihn. »Alles klar, Liebste?«
»Nein, natürlich nicht. Ich bin bloß gerade herumgereicht und herumgeworfen worden wie eine Lumpenpuppe, nachdem ich einen Spruch gewirkt habe, an dem ich mich wohl besser nicht hätte versuchen
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