Die Legenden des Raben 04 - Zauberkrieg
Drachen schon einmal gesehen zu haben, ehe er sich seinen viel interessanteren Gehversuchen zuwandte.
»Er ist ein bemerkenswertes Kind«, sagte der Große Kaan.
»Ich glaube, er weiß, dass du ein Freund und keine Bedrohung bist. Du warst so gut zu uns«, sagte Diera.
»Wir haben uns gegenseitig geholfen«, erwiderte er.
»Dein Kind war in den letzten Tagen eine Quelle des Lichts, die meinen Geist erfreut hat, während ich auf die Neuigkeiten wartete, die ich so dringend hören will.«
»Nun hast du sie gehört«, sagte Diera.
»So ist es«, erwiderte er. »Ich spüre schon fast wieder die Luftströmungen über meinem Brutland. Ich rieche beinahe die Düfte meiner Welt.«
»Du verlässt uns jetzt?«
»Ich muss«, sagte der Große Kaan, nicht ohne leise Schuldgefühle. Es überraschte ihn, aber eigentlich war es doch kein Wunder. In der letzten Zeit hatte er viel über menschliche Emotionen gelernt. Warum sollte er nicht ein wenig empfinden wie sie? Er konnte sich kaum erinnern, wie er über solche Dinge vor seinem Exil gedacht hatte, und nahm sich vor, diese Erfahrungen nach seiner Rückkehr nicht zu vergessen.
»Jonas wird dich vermissen«, sagte sie. »Ich auch.«
»Auch ich werde euch vermissen«, entgegnete Sha-Kaan. »Doch ich sterbe hier. Im Morgengrauen fliege ich nach Balaia. Ich muss dem Raben helfen. Ich darf nicht zulassen, dass sie scheitern.«
»Gerade deshalb will ich doch, dass du diese Reise unternimmst.« Diera lächelte. »Die Gewissheit, dass du über meinen Mann wachen wirst, wird mir ein großer Trost sein.«
»Du wirst jedoch deine Verbindung zu ihm verlieren«, sagte Sha-Kaan.
»Ich weiß. Das ist ein Preis, den ich mit Freuden zahle, wenn er nur überlebt und wir uns wiedersehen.«
»Ich werde noch einmal mit Hirad sprechen, bevor ich aufbreche. Es gibt einige Dinge, die er über die xeteskianischen Eingriffe in den interdimensionalen Raum wissen muss. Sei hier bei mir, dann kannst du Sol eine Nachricht übermitteln.«
»Danke, Sha-Kaan«, sagte sie und streckte die Hand aus, um seinen Mund zu berühren. Durch seine dicke Haut spürte er die Berührung kaum, doch die Geste war genug.
Jonas hatte die Veränderung der Atmosphäre gespürt. Er krabbelte eilig zu seiner Mutter und zog sich an ihrem Bein hoch, um dem Drachen in die Augen zu sehen.
»Kaan!«, sagte er auf einmal, deutete auf ihn und lächelte.
Diera lachte. »Genau, mein Lieber. Und bald müssen wir Lebewohl sagen.«
»Lebewohl«, sagte Jonas.
Auf den Ebenen von Teras riefen ihn die Brutmütter. Sha-Kaan konnte es fühlen.
Siebtes Kapitel
Als sich am Horizont der erste Lichtschimmer zeigte, herrschte im Lager der Verbündeten vor dem Osttor bereits reges Leben. Die Kämpfer aus Lystern und Blackthorne waren bereit, in die Schlacht zu ziehen, die Wachen wechselten, und der Aufbruch der Al-Arynaar stand unmittelbar bevor. Izack hatte bereits den größten Teil seiner Kavallerie zur Front am Nordtor geführt und nur eine Abteilung zurückgelassen, um die Fußsoldaten zu schützen. Das musste reichen.
Der Rabe nahm ein rasches Frühstück zu sich. Die Pferde, die Blackthorne ihnen überlassen hatte, standen gesattelt bereit. So wund gerieben, steif und müde sie auch waren, die Rabenkrieger waren von einer neuen Energie erfüllt, die sich immer einstellte, wenn ein Kampf bevorstand.
Denser hatte sich zu ihnen gesellt, nachdem er sich um Erienne gekümmert, sie nach der Nacht gewaschen und sich vergewissert hatte, dass Cleress noch da war. Er saß neben Hirad, der seine geflickte Rüstung inspizierte.
»Wird sie halten?«, fragte Denser.
»Sie haben das fantastisch gemacht«, erklärte Hirad. »Man kann wirklich nicht behaupten, dass diese Elfen nicht mit Nadel und Faden umzugehen wissen.«
Auf der anderen Seite des Feuers saß der Unbekannte, starrte seine Stiefel an und massierte mit einer Hand seinen Nacken.
»Es geht ihnen gut«, beruhigte ihn Denser, der ahnte, was in dem großen Krieger vorging.
»Oh, das bezweifle ich nicht«, sagte der Unbekannte. »Ich habe nur das Gefühl, es wird lange dauern, bis ich sie wiedersehe.«
»Hauptsache, du siehst sie überhaupt wieder«, sagte Denser. Er wandte sich wieder an Hirad. »Hör mal, es war ja richtig, dass du mich nicht geweckt hast, als du gestern Abend mit Sha-Kaan gesprochen hast, aber ich muss genau wissen, was er gesagt hat.«
»Ich habe es bereits Rebraal übermittelt, und er hat mit den Lysterniern gesprochen. Die Neuigkeiten haben an allen
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