Die Legenden des Raben 04 - Zauberkrieg
Augen.
»Sie ist so nahe«, murmelte Vuldaroq, »und wir können nichts tun.«
Er schob sich eine Gabel voll Essen in den Mund und kaute langsam. Dabei sah er sich ausgiebig am Tisch um und
blickte Heryst erst an, als er hinuntergeschluckt hatte. Er langte nach seinem Weinglas und trank.
Lysterns Lordältester Magier war am vergangenen Abend in Dordover eingetroffen, um über die nächsten Schachzüge im Krieg zu beraten. Bisher waren die Verbündeten ihrem Ziel, die Verteidigung von Xetesk zu zerschlagen, kaum näher gekommen. Die Zähigkeit des Feindes hatte sie überrascht, und sie hatten zu viele Kräfte für den Belagerungsring vor der Stadt einteilen müssen. Mit Recht fürchteten sie die Ausfälle von Hausgeistern und Meuchelmördern, die sie bisher nicht hatten unterbinden können. Auch war es ihnen nicht gelungen, die Nachschubwege des Kollegs abzuriegeln, und der Rabe war immer noch frei.
Das angespannte Verhältnis zu den Elfen war eine zusätzliche Belastung. Unbestreitbar war die Unterstützung der Elfen wichtig, wenn nicht gar entscheidend gewesen. Doch es war keine Partnerschaft, die auf gemeinsamen Zielvorstellungen beruhte. Die Elfen verfolgten ganz eigene Pläne. Inzwischen hatten sie gefunden, was sie haben wollten, und würden bald weiterziehen. Das änderte ebenso die Schlachtpläne wie der zunehmende Verfall des julatsanischen Mana.
Vuldaroq fragte sich, ob es nicht vielleicht doch von Vorteil sei, wenn Julatsa unterging. Heryst sah die Sache natürlich ganz anders.
»Wir werden uns in Geduld üben und auf die richtige Gelegenheit warten«, sagte Heryst. »Erienne und der Rabe werden von jedem Elf auf dem Schlachtfeld beschützt. Wir können jetzt nicht eingreifen. Falls sie sich überhaupt bewegt, dann geht sie nach Julatsa. Wir können abwarten.«
»Aber es ist doch sehr verlockend, oder?«, fragte Vuldaroq.
Heryst lächelte knapp. »Ihr und ich, wir können hier sitzen
und auf diese Weise darüber reden. Meine Kommandanten an der Front am Osttor würden sich anders äußern. Obwohl wir den Elfen drei zu eins überlegen sind, haben wir vermutlich nicht genügend Krieger und Magier, um Erienne festzunehmen. Und selbst wenn, wir müssten dabei das Osttor unbewacht zurücklassen. Wie ich schon sagte, wir warten ab. Früher oder später wird sie uns in die Hände fallen.«
»Wir müssen uns aber einig sein, wie wir verfahren, wenn dies geschieht«, sagte Vuldaroq.
»Sie muss als ein gemeinsamer Gewinn betrachtet werden, Vuldaroq. Dies haben wir doch schon geklärt. Ihr könnt nicht die alleinige Macht über eine Frau beanspruchen, die sich keinem von uns zugehörig fühlt.«
Vuldaroq hob beide Hände. »Ein andermal, Lord Heryst. Es gibt Dringenderes zu besprechen.«
»Ich bin ganz Eurer Meinung.«
»Offensichtlich sind Eure Kräfte am Osttor vom Aufbruch der Elfen nach Julatsa am stärksten betroffen. Seit Izacks kluger Entscheidung, die Nordfront mit lysternischen Kräften zu verstärken, seid Ihr dort sogar noch schwächer geworden. Ich habe einige Reserven in Dordover, die ich Euch anbieten kann. Was wollt Ihr haben? Männer? Magier?«
Innerlich lächelte Vuldaroq über Herysts Reaktion. Wie leicht es doch war, einen Mann zu übertölpeln, der nichts von einem erwartete.
»Das ist ein äußerst freundliches Angebot, für das ich Euch dankbar bin.«
»Und überraschend kommt es wohl auch?« Vuldaroq konnte es sich nicht verkneifen.
Heryst zog eine Augenbraue hoch. »Ihr zeigt selten ein solches Entgegenkommen«, sagte er. »Ich glaube, wir stehen
vor einer wichtigen Entscheidung. Meine Kommandanten haben mich ausführlich unterrichtet. Sie sind sicher, dass es im Krieg eine Wende geben wird. Zweifellos habt auch Ihr schon daran gedacht.«
Vuldaroq neigte den Kopf. Er ahnte bereits, in welche Richtung sich Herysts Gedanken entwickelten, und er sollte nicht enttäuscht werden.
»Xetesk will Julatsa auslöschen, und dieser Plan wird durch die Elfen gefährdet. Das Dunkle Kolleg darf nicht ungehindert nach Norden vorstoßen, also müssen wir entsprechend planen. Izack hat bereits die Stelle verstärkt, an der sie höchstwahrscheinlich versuchen werden, den Belagerungsring zu durchbrechen. Meiner Ansicht nach müssen wir jedoch weitere Faktoren berücksichtigen. Ich bin nicht sicher, ob wir unsere Kräfte wirklich klug einsetzen, wenn wir die Stellungen am Osttor verstärken, nicht zuletzt, weil die neuen Truppen ohnehin zu spät kämen. Schließlich wird wohl sehr bald ein
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