Die Legenden des Raben 04 - Zauberkrieg
wollten. Der Rabe wusste etwas, und es heißt, er habe zu helfen versucht.«
»Das weiß ich längst!«, fauchte Heryst. »Verzeiht. Ja, es ist mir bekannt. Und als der Spruch gewirkt wurde, versuchten sie, das Schlachtfeld zu räumen, und konnten sogar zwei Männer retten. Verdammt, es fällt mir schwer, sie jetzt noch zu verfolgen.«
»Wir dürfen nicht zaudern.«
»Ich weiß.« Heryst schwieg eine Weile. »Ich will gar nicht daran denken, wie viele Männer und Magier ich heute verloren habe«, sagte er schließlich. »Seit dem Morgengrauen habe ich drei Kommunionen durchgeführt. Zwei davon mit verängstigten Magiern, die kaum die nötige Konzentration aufbieten konnten. Sie berichteten über verstreute Gruppen meiner Leute, die von Hausgeistern und Magiern mit Leibwachen gehetzt werden und bei Anbruch der Dunkelheit zweifellos auch noch mit Meuchelmördern rechnen müssen.
Keiner konnte eine Aussage über die Zahl der Gefallenen machen, aber selbst bei einer zurückhaltenden Einschätzung würde ich sagen, dass die verstärkten Kampflinien heute Morgen achtzig Prozent ihrer Kräfte verloren haben. Im Norden dürfte es ähnlich aussehen. Somit haben wir weniger als dreihundert Kämpfer, denen nördlich der Stadt beinahe eintausend Xeteskianer gegenüberstehen. Dabei unterstelle ich, dass wir die gehfähigen Verwundeten einsetzen und uns überhaupt formieren können, um eine brauchbare Verteidigung aufzubauen. Wir sind am Ende, nicht wahr?«
Vuldaroq legte Heryst sachte eine Hand auf den Arm. Seine freundliche Geste verwunderte ihn selbst.
»Wir sind erst verloren, wenn unser letzter Soldat gefallen ist. Erst wenn Dystran hier im Herzen meines Kollegs direkt vor uns steht. Verliert nicht die Hoffnung, nicht jetzt.«
Heryst nickte. »Ich weiß, es tut mir leid. Ein verzweifelter Augenblick.«
»Schon gut. Erzählt mir lieber, welche Pläne Ihr für Eure Verbände habt, die bis jetzt südlich von Xetesk lagern.«
»Ihr müsst wissen, dass ich im Augenblick überhaupt keine Pläne schmieden kann. Wir versuchen derzeit noch, die Versprengten wieder zusammenzuführen.«
»Dann schließt Euch mir an«, sagte Vuldaroq. »Wir sind überzeugt, dass Xetesk gerade eben genug Männer in der Stadt lassen wird, um sie zu verteidigen. Sie werden von dort aus aber keinen neuen Schlag führen können. Verlegt Eure Männer mit meinen zusammen nach Norden, nach Julatsa. Dort wird die Schlacht um Balaia geschlagen. Wenn Ihr noch genügend Kräfte in Lystern habt, dann müsst Ihr dies tun.«
»Ich werde sie Eurem Kommando unterstellen«, sagte Heryst.
»Gut, das ist eine kluge Entscheidung. Ich werde Euch jetzt wieder allein lassen. Ihr müsst sicher mit vielen Menschen Verbindung aufnehmen und Ängste beschwichtigen, so gut Ihr könnt.« Er stand auf. »Noch etwas. Euer Untergebener Izack hat heute Morgen vielen Dordovanern das Leben gerettet. Das werde ich nicht vergessen.«
Heryst lächelte. »Danke.«
Vuldaroq nickte und ging hinaus. Die günstige Gelegenheit schien in greifbarer Nähe.
Sie hörte ihren Namen, konnte sich aber nur daran erinnern, dass es der ihre war, wenn ihr Geliebter ihn aussprach. Allerdings kannte sie ihre Aufgabe und wusste, wer Freund und wer Beute war. Sie spürte es, auch wenn ihr nicht klar war, welcher Instinkt ihr dies verriet. Sie wusste vieles, was gewöhnliche Menschen nicht wussten. Sie war eine Krallenjägerin, und niemand konnte das Band durchtrennen, das bei der Geburt geknüpft worden war. Niemand.
Rasch trottete sie durch das unbekannte Land. Alle Witterungen waren fremd, und ihre Pfoten traten auf Erde, die sie noch nie berührt hatte. Ein kleiner Schauder ließ ihre Flanken beben. Weit war das Meer gewesen, und das kleine Land hatte sich auf ihm bewegt, eng und stinkend und voller Menschen. Immerhin hatten die Hüter das Kommando gehabt, und ihr Geliebter war nicht von ihrer Seite gewichen.
Die Erinnerungen waren fern und zogen rasch durch ihren Geist. Jetzt war sie die Beschützerin. Die Hüter waren auf der Flucht. Überall lauerten Angreifer. Sie durften nicht zum Zuge kommen.
Sie eilte an ihnen vorbei, ihr Geliebter war in der Nähe, leitete sie, beruhigte sie und streichelte ihren Geist. Sie witterte die Gerüche, die von nah und fern auf sie eindrangen. Die Pflanzen, die Blumen und die Bäume, gesund und
wachsend. Die kleinen Beutetiere, die vor Angst zitterten, wenn sie vorbeikam. Vorerst blieben sie verschont.
Windwärts drohte eine Gefahr, gar nicht weit
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