Die Legenden des Raben 04 - Zauberkrieg
entfernt. Sie ließ ihren Emotionen freien Lauf, und ihr Geliebter verstand die Veränderung, die in ihr stattfand. Sie konzentrierte sich und beschleunigte ihre Schritte. Er folgte ihr.
Ein kleines Tier erschien auf dem Weg. Es hatte einen schwarzen Pelz wie sie selbst und war so klein wie ein Junges, aber schlanker. Sie hätte es als Verwandten bezeichnet, doch die Witterung verriet ihr, dass es nicht zu ihrer Familie gehörte. Es strahlte Gefahr aus. Ihr Geliebter kam näher und beschützte sie, während sie das Tier untersuchte.
Es wartete dort vor ihr, bis sie sich näherte, und zuckte nicht zusammen, als sie das Maul weit vorstreckte. Dem Verhalten nach war es ein entfernter Vetter, klein und zerbrechlich. Doch es strahlte eine Kraft und Fremdartigkeit aus, die ihr neu waren. Sie hatte Angst, zog sich einen Schritt zurück und stieß ein leises Knurren aus.
Das seltsame Tier miaute, schoss vor und schlug ihr eine Tatze ins Gesicht. Es hätte spielerisch sein sollen, doch die Krallen verletzten sie. Sie bleckte die Zähne und versetzte dem Tier eine kräftige Ohrfeige. Es überschlug sich und landete im feuchten Laub unter einem Baum. Noch während es sich abrollte, verwandelte es sich. Es wurde größer und bekam Gliedmaßen wie ein Affe. Das Fell verschwand, und ein Kopf mit Reißzähnen und eine wutverzerrte Fratze kamen zum Vorschein. Ein langer, ledriger Schwanz zuckte hinter dem Tier.
Sie heulte erschrocken auf und zog sich verunsichert mit einem Sprung zurück. Ihr Geliebter eilte an ihre Seite. Das Wesen ging schnatternd auf sie los. So verwirrt und ängstlich sie war, der Instinkt übernahm nun die Regie. Sie duckte sich, wartete auf den richtigen Augenblick und sprang.
So schnell das Wesen auch war, sie war noch schneller. Es hatte sie beißen wollen, fand aber nur ihre Vorderpfoten und die ausgefahrenen Krallen, die seine Brust trafen und es rückwärts zu Boden warfen. Es kreischte und spuckte und wollte die Arme und den Schwanz befreien. Die Beine suchten ihren Bauch, konnten ihn aber nicht erreichen. Sie packte den Schädel mit dem Maul und suchte den richtigen Ansatz, um ihn zu zerquetschen. Sie spannte die Muskeln und biss und biss. Irgendetwas stimmte nicht. Das Tier wurde durch ihr Gewicht zu Boden gedrückt, es wehrte sich nicht einmal, und doch konnten ihre Zähne es nicht verletzen. Sie ließ los und biss noch einmal mit aller Kraft zu. Wieder passierte nichts.
Sie zog den Kopf zurück. Wichtig war nur, das Tier nicht wieder auf die Beine kommen zu lassen. Knurrend sah sie es an, Speichel tropfte aus ihrem Maul. Es erwiderte ihren Blick und legte den Kopf schief. Dann sprach es. Sie konnte es nicht verstehen. Und dann gab es eine blaue Explosion am Himmel, und überall war Lärm.
Sie hatten sich keine Mühe gegeben, ihr Kommen zu verheimlichen, und ihre Absicht lag sowieso auf der Hand. Hirad sah sie über die eilig nach Norden rennenden Elfen hinwegfliegen, weit außerhalb der Reichweite feindlicher Sprüche. Er zählte vier Hausgeister, hässliche Gestalten am Nachmittagshimmel, und vier Magier, ihre Meister, die hinter ihnen flogen. Irgendwo waren sicherlich auch Reiter und Schwertkämpfer unterwegs, die diese Vorhut abschirmen würden.
»Wer ist vor uns?«, erkundigte Hirad sich bei Rebraal, der mühelos neben seinem locker galoppierenden Pferd herlief.
»Krallenjäger, drei Paare. TaiGethen sind hinter ihnen.«
»Das wird nicht reichen. Die Hausgeister können nur mit Sprüchen vernichtet werden.« Er sah sich um. »Sian, steig hinter mir auf. Darrick, Thraun, ihr bleibt hier. Der Rabe, folgt mir!«
Sian’erei schwang sich hinter Hirad in den Sattel und umfasste seine Hüfte. Er ließ das Pferd die Hacken spüren. Der Unbekannte und Denser folgten ihm, die Elfen machten sofort Platz.
»Kommt schon!« Begeistert trieb er sein Pferd an, noch schneller zu laufen.
Sie ritten durch die Überreste eines Wäldchens. Die Baumstämme waren gesplittert und abgeknickt, überall lag totes Holz herum. Die Äste hingen tief herab und behinderten sie. Sein Pferd suchte sich einen Weg und zwang ihn und Sian, sich immer wieder zu ducken und seitlich auszuweichen. Frische Luft umwehte seinen Kopf, seine Zöpfe pendelten hinter ihm. Es war ein wundervolles Gefühl inmitten all der Verzweiflung.
Sie holten die TaiGethen der Vorhut ein, als die ersten Sprüche eine Viertelmeile vor ihnen einschlugen.
»Konzentriere dich auf die Hausgeister«, rief er ihr zu. »Einen nach dem anderen.
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