Die Legenden des Raben 04 - Zauberkrieg
Erienne unterstützte. Doch die alte Al-Drechar war jetzt allein, und sobald sie ruhen musste, wurde all ihre Arbeit wieder zunichtegemacht. Er löste sich mit einem Ruck aus dem Spektrum und schluckte schwer.
»Du schaffst es, Erienne. Du musst es schaffen. Wir wollen dich nicht verlieren«, sagte er. »Ich will dich nicht verlieren.«
Hilflos, ohne Waffe. Ohnmächtig.
»Bitte«, sagte er, und seine Stimme bebte vor Verzweiflung. Er war den Tränen nahe. »Bitte.«
Starke Hände hoben ihn, starke Arme drückten ihn.
»Lass los, Denser«, sagte der Unbekannte. »Sonst kannst du nie ausruhen, und sie braucht dich ausgeruht.«
»Aber es hilft ihr nicht«, quetschte er hervor und unterdrückte ein Schluchzen. »Ich kann ihr nicht helfen.«
»Du hilfst ihr. Wenn die Macht ungehindert herausbräche, würde das Eine immer mehr Brennstoff ansaugen. Du hilfst ihr, du hilfst uns allen.«
Denser nickte. Es klang vernünftig, war aber unendlich schwer einzusehen. Schaudernd atmete er durch und löste sich vom Unbekannten, um sich die Augen zu trocknen.
»Es tut mir leid«, sagte er. »Entschuldige.«
»Warum?«, antwortete der Unbekannte. »Jeder will den Geliebten helfen, und was haben wir noch außer Tränen, wenn es uns nicht gelingt?«
Elftes Kapitel
Sooft er es ihnen auch bei Übungen, in der theoretischen Ausbildung und jetzt, im Einsatz, gesagt hatte – das letzte Mal am frühen Morgen, als er die Wachtposten kontrolliert hatte, und am Abend zuvor, als sie ihr Nachtlager aufgeschlagen hatten –, sie hatten nicht auf ihn gehört. Sie hörten nicht, obwohl es so wichtig war. Jetzt würden deshalb Männer im Schlaf sterben.
Chandyr hatte keine Zeit mehr, seine Rüstung anzulegen. Er schnappte sein Schwert und rannte aus dem Zelt. Er hatte nicht schlafen können und war schon drauf und dran gewesen, nach draußen zu gehen und die Kochfeuer zu organisieren, da er noch im Morgengrauen aufbrechen wollte.
Der erste Angriff hatte ihn auffahren lassen, und er hatte das Zelt vor der zweiten und dritten schweren Attacke verlassen. Es hatte keine Vorwarnung gegeben, und das reizte ihn zur Weißglut.
»Lauft zur Grenze des Lagers!«, rief er, während er über eine Feuergrube sprang und zu dem Bereich rannte, wo das grüne lysternische Mana-Feuer Zelte und hilflose Soldaten
verbrannte. »Die Kavallerie soll aufsitzen. Verdammt, was habe ich euch immer wieder erzählt!«
So schnell, so zielstrebig waren sie gekommen. Genau wie er es in seinen Warnungen beschrieben hatte. Seine Magier bereiteten Schilde und Angriffssprüche vor, während er dem Donnern der Hufe lauschte.
»An die Waffen!«, brüllte er. »Verdammt, wo waren die Wachen?«
Einige gescheite und wendige Kämpfer gesellten sich zu ihm. Vor ihm herrschte Chaos. Sechs Zelte brannten, Männer flohen in alle Richtungen. Viel zu viele kamen ihm entgegen.
»Kehrt zurück. Glaubt ihr denn, es wäre vorbei?«
Dann kamen sie. Vierzig oder mehr Reiter in enger Formation, zweifellos durch einen defensiven Schild geschützt. Es würde ein einziger Vorstoß werden, genau wie er es prophezeit hatte. Izack war bei ihnen; er erkannte den Anführer sofort, doch die Reiter hätten ihn nicht gebraucht. Sie ritten dreißig Längen weit in sein Lager und hackten alles nieder, was sich ihnen in den Weg stellte. Die Magier, die nicht mit dem Schild beschäftigt waren, ließen Heißen Regen niedergehen und zermalmten die xeteskianischen Kämpfer und die kostbare Ausrüstung mit Kraftkegeln. Die Hälfte der Reiter warf brennende Fackeln und setzte weitere Zelte und Wagen in Brand.
Sie hatten kehrtgemacht und verließen das Lager, ehe der erste Spruch ihren Schild flackern ließ und ehe die ersten Pfeile flogen.
Einen Mann trafen sie. Einen einzigen. Chandyrs eigene Kavallerie galoppierte zu seiner Rechten und nahm die Verfolgung auf. Sie würde die Angreifer nicht erwischen, die inzwischen hundertfünfzig Längen entfernt waren. Das war mehr, als sie brauchten. Wenigstens würde es sie davon
abhalten, noch einmal anzugreifen, was Chandyr aber ohnehin für unwahrscheinlich hielt.
Er blieb stehen und warf sein Schwert auf den Boden.
»So ein Mist!«
Verzweifelt rieb er sich übers Gesicht und stemmte die Hände in die Hüften. Er kochte vor Wut und war aufgebracht wie noch nie in seinem Leben. Rings um ihn tobte das Chaos. Helfer brachten Verletzte in Sicherheit, Männer riefen Befehle und bemühten sich, die Feuer zu löschen, und die Schreie der Sterbenden stiegen zum
Weitere Kostenlose Bücher