Die Legenden des Raben 05 - Drachenlord
Raben die Zeit und Unterstützung zu verschaffen, die er brauchte.
Sha-Kaan ließ den Blick über die außerordentliche Versammlung wandern. Weit entfernt zu seiner rechten Seite rangelten Drachen miteinander. Flügel wurden entfaltet, Bäuche prallten gegeneinander. Er sandte seiner Brut einen Impuls, die Störenfriede zu beruhigen. Überall waren der rasselnde Atem und das Rascheln der Schwingen zu hören. Von Norden her näherte sich eine weitere Gruppe der Gost. Er wartete, bis sie gelandet waren und die Ehrfurcht spürten, die inzwischen auch die meisten Anwesenden erfasst hatte.
Nicht jeder wusste, warum er hier war, aber alle Drachen spürten, wie wichtig es war. Es konnte nicht anders sein.
»Es ist Zeit«, sagte Yasal-Naik. »Wir können sie nicht mehr lange ruhig halten, ohne ihnen etwas zu geben.«
»Ich werde für uns beide sprechen, wenn du erlaubst.«
Yasal richtete ein Auge auf ihn, das alles über die Achtung verriet, die Sha-Kaan genoss, und über das Bestreben der Naik, dessen Position einzunehmen.
»Sie werden dir zuhören«, sagte er.
Sha-Kaan erhob sich auf die Hinterbeine, entfaltete die Flügel und schlug dreimal. Sein Schwanz bat zuckend um Aufmerksamkeit, und er stieß ein gedehntes Bellen und eine lange Flammenzunge in die Luft aus. Auf der Ebene beruhigten sich die Versammelten und verstummten. Die Brutväter vor ihm bereiteten sich darauf vor, seine Worte weiterzugeben. Sha-Kaan schlug eine Verehrung entgegen, die ihm die Kehle zuschnürte, sodass er kaum sprechen konnte. Wir mögen dich hassen, sagte die Verehrung, aber wir sind hier, weil du uns gerufen hast, Großer Kaan.
»Ihr kennt mich«, donnerte seine Stimme über die Ebene. »Ich bin Sha-Kaan. Ich stehe hier mit eingefalteten Schwingen neben meinem Erzfeind Yasal-Naik. Immer haben wir uns gegenseitig gehasst, doch immer haben wir uns auch geachtet. Heute stehen wir geeint vor euch. Verbündet, wie ihr euch alle verbünden müsst.«
Ein Raunen ging durch die Versammlung, das sich bis zum Rand ausbreitete, als die Gedanken jeden Drachen erreichten und die Reaktionen zurückströmten.
»Heute sehen wir uns der größten Bedrohung gegenüber, die unsere Heimatdimension jemals erlebt hat. Um dieser Bedrohung zu begegnen, müssen wir eine Brut mit einem Geist sein. Es gibt viele unter euch, die ihre Rolle nicht kennen und nicht wissen, warum sie hier sind. Ich werde euch den Grund erklären. Die Arakhe sind in die Fusionsdimension der Kaan eingedrungen.«
Jetzt erhob sich Lärm auf der Ebene. Bellend und rufend stellten andere die Ruhe wieder her. Flammen wurden in die Luft gespuckt und verstärkten noch den Lärm. Sha-Kaan holte tief Luft, als er den Tumult sah, blieb aber stolz stehen und wartete, bis wieder Ruhe einkehrte. Es dauerte eine Weile, bis die letzten Rufe verstummten.
»Wahrlich ein Grund zum Feiern.« Er spürte die Schadenfreude. »Normalerweise. Allerdings werden die Arakhe nicht dort bleiben. Wir alle kennen ihr Wesen. Wenn sie Balaia völlig erobert haben, gewinnen sie über die Elfen und Wesmen den Zugang zum Reich der Toten. Über die noch lebenden Drachenmänner gelangen sie auch nach Beshara.«
Sha-Kaan hielt inne und ließ die gebannte Aufmerksamkeit der Zuhörer auf sich wirken. Er wechselte einen Blick mit Yasal, und der Naik, der jünger war als er, gab ihm zu verstehen, er solle fortfahren.
»Unsere Aufgabe ist einfach. Einige Männer wollen in die Dimension der Arakhe reisen und die Invasion aufhalten. Sie dürfen nicht scheitern. Einer dieser Männer ist mein Drachenmann. Wenn er dort ankommt, haben wir unseren Leitstrahl. Wir werden angreifen und die Balaianer unterstützen. Wir müssen ihr Leben erhalten, weil sie einen Ort aufsuchen können, den wir nicht zu erreichen vermögen.«
Sha-Kaan sprach weiter, obwohl sich missbilligendes Brüllen erhob.
»Ihr seid hier, weil eure Brutväter dies für eine echte Gefahr halten. Einige mögen nicht daran glauben. Ihnen sage ich: Fliegt in mein Brutland. Zerstört es. Ich werde keinen Flügel heben, um euch aufzuhalten. Aber ich werde euch dann auch nicht zu den Arakhe führen. Und wenn sie hierherkommen, was sicher geschehen wird, werde ich für eure Bitten und Schmeicheleien taub sein.
Die Bedrohung ist da. Drachen werden sterben beim Versuch, sie zurückzuschlagen. Kämpft gemeinsam, um uns zu retten, oder kämpft gegeneinander, und wir werden alle rasch untergehen. Die Entscheidung liegt nun bei euch.«
Zweiundzwanzigstes Kapitel
Auum
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