Die Legenden des Raben 05 - Drachenlord
Kiefern heraushing, die Luft.
Der Wolf kam zu Hirad und sah ihm in die Augen.
»Ich werde für dich da sein, Thraun«, sagte er. »Sei nur vorsichtig.«
Zufrieden rannte Thraun ins Unterholz.
Thraun konnte schmecken, wie das Land starb. Er spürte es mit allen Sinnen, und das Gefühl wurde mit jedem Schritt, den er sich vom Raben entfernte, stärker. Der faulige Geruch beleidigte seine Nase, und er sah, wie das Leben erdrückt
wurde. Hier gab es keine Beute. Keine Fährte, keine Spur. Die Beute hatte sich versteckt oder war ganz verschwunden.
Thraun rannte weiter und betrachtete, was noch da war. Den Pflanzen hatte die Invasion der Dämonen nichts anhaben können, sie gediehen und wuchsen. Aus der Stadt Blackthorne roch er Holzrauch und Menschen. Ein schwacher Geruch im Vergleich zu dem kranken Gestank der Dämonen.
Thraun versuchte, die Angst wegzuschieben. Er trottete rasch durchs Land, alle Wolfssinne äußerst wachsam, und der Teil seines Bewusstseins, der die Menschlichkeit nicht verloren hatte, trieb ihn seinem Ziel entgegen. Seine Erinnerungen würden rasch verblassen, aber das Bild des Menschen, den er finden musste, stand klar vor seinem inneren Auge. Stark und groß. Ein Anführer mit dem Geruch des Mutes. Thraun würde ihn nicht mit jemand anders verwechseln.
Mit seinen scharfen Ohren konnte Thraun gerade noch die Rufe hoch droben am Himmel hören. Er kauerte sich neben einen Stechginsterstrauch und spähte hinauf. Dämonen. Sie flogen nach Westen, dem Raben entgegen. Er knurrte. Sie hatten die Beute gewittert.
Am liebsten hätte Thraun den Raben beschützt, sein Rudel. Aber er hatte den Grund nicht vergessen, aus dem er sich der Menschensiedlung näherte, und das Wissen trieb ihn weiter.
Er brach aus der Deckung, rannte und heulte den Himmel an.
Eine Meile vor Blackthorne sahen die Elfen, wie sich die Kontrollflüge der Dämonen veränderten. Sie kamen ihnen entgegen. Anfangs waren es dreißig, die aus der Höhe herabstießen
und niedrig über dem Boden flogen. Rebraal stieß einen Warnruf aus.
»Jetzt können wir unsere Theorien auf die Probe stellen«, sagte Hirad. »Erienne, bist du bereit?«
»Das werden wir ja gleich herausfinden, was?« Ihr war die Anspannung anzumerken.
»Wir beschützen dich«, sagte Hirad. »Entspann dich einfach, du wirst es schon schaffen.«
»Du hast gut reden«, erwiderte sie, aber sie musste wider Willen lächeln.
»Vergesst nicht, dass wir weitergehen müssen«, sagte der Unbekannte. »Wir dürfen uns hier nicht aufhalten lassen, so kurz vor dem Ziel.«
Die Elfen kehrten in die vorher abgesprochene Kampfformation zurück. Auum und Duele verstärkten den Raben auf der linken Seite, Evunn und Rebraal rechts. Sie hatten dieses Mal auf den gewohnten unregelmäßigen Fünfstern verzichtet. In einer leicht gebogenen Linie, in deren Brennpunkt sich der Unbekannte befand, stellte sich der Rabe den Feinden. Hinter dieser Linie folgten die vier Magier, die Elfen links und rechts neben den Rabenmagiern.
Erienne konnte ihr rasendes Herz kaum beruhigen. Noch nie hatte sich der Rabe so sehr wie jetzt auf sie allein verlassen. Ohne sie konnten nur die Magier die Gegner töten, und das würde nicht reichen. Niedrig fliegend und schnell kamen die Dämonen heran. Sie hörte schon das Flügelschlagen und die scharfen Rufe.
Mühsam konzentrierte sie sich auf ihre Aufgabe, gab die Kraft des Einen frei und spürte, wie sie durch ihren Körper in ihr Bewusstsein strömte. Es war ein erschreckendes Gefühl. Nach zwei Jahren hatte sie unter Cleress’ Anleitung gelernt, den Ursprung dieser Kraft zu beherrschen, die
durch ihren Körper brandete, doch immer noch fiel es ihr schwer. Selbst jetzt, wenn sie die Energie für ihren Spruch freigab, konnte sie die Macht des Einen kaum bändigen, von echtem Verstehen ganz zu schweigen.
Sie stimmte sich auf die Energie ein und wusste dabei genau, welche Konsequenzen es hätte, wenn es ihr nicht gelang, diese Kräfte ganz und gar zu kontrollieren. Was geschehen war, konnte nicht rückgängig gemacht werden. Das Eine war in ihr. Sie hatte keine Wahl, sie musste es akzeptieren.
Immer noch betrachtete sie diese Kraft als Feind, der unterdrückt werden musste, damit er sie nicht überwältigte. Cleress hatte sich keine große Mühe gegeben, sie davon abzubringen, sondern nur gesagt, sie würde mit der Zeit schon lernen, mit dem zu arbeiten, was sie hatte, statt ständig um die Kontrolle zu ringen.
Doch die Zeit war knapp geworden, und
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