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Die Legenden von Attolia 1: Der Dieb (German Edition)

Die Legenden von Attolia 1: Der Dieb (German Edition)

Titel: Die Legenden von Attolia 1: Der Dieb (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan Whalen Turner
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Erde ihm nichts mehr schenken und keinem Kind, das nicht auch seines war, die Unsterblichkeit verleihen dürfte. Die Erde versprach es, und sie und der Himmel schlossen Frieden.
    Die Menschen des Himmels und der Erde bauten ihre Häuser wieder auf, trieben ihr Vieh wieder zusammen und bestellten ihre Felder neu, aber von da an achteten sie darauf, in jedem Dorf zwei Altäre zu errichten, um dem Himmel für ihre Erschaffung und der Erde für ihre Geschenke zu danken, so dass sie immer beiden gehören würden. Und in Zeiten großer Not beten sie nicht nur zur Erde und zum Himmel, sondern auch zu Hephestia, damit sie in ihrem Namen bei ihren Eltern Fürsprache einlegt.
     
    »Du klingst ganz anders, wenn du eine Geschichte erzählst«, sagte Sophos.
    »Das«, erwiderte ich säuerlich, »ist die Art, auf die meine Mutter sie mir erzählt hat.«
    »Sie hat mir gefallen.«
    »Es ist jedenfalls die einzige, die du heute Abend zu hören bekommen wirst«, erklärte der Magus. »Eugenides und der Himmelsgott müssen bis morgen warten.« Zu mir sagte er: »Deine Mutter scheint die Geschichte genommen und eine eigene daraus gemacht zu haben.«
    »Natürlich«, sagte Ambiades hämisch. »Sie war ja auch eine Diebin.«
    In jener Nacht schlief ich zum ersten Mal leicht, seit ich im Gefängnis gewesen war. Ich erwachte, als der Schein des halb vollen Mondes auf die Bergflanke fiel. Ich drehte mich um, so dass ich die Sterne betrachten konnte, und bemerkte, dass Ambiades in seine Decken gehüllt dasaß.
    »Warum bist du wach?«, fragte ich ihn.
    »Ich behalte dich im Auge.«
    Ich sah die schlafenden Körper der anderen drei an. »Ihr wechselt euch ab?«
    Ambiades nickte.
    »Seit wann?«
    »Seit dem letzten Gasthaus.«
    »Wirklich? Und ich war bis jetzt zu müde, um das zu schätzen zu wissen!« Ich schüttelte bedauernd den Kopf und schlief wieder ein.

Kapitel 6

    Am Morgen aßen wir unseren letzten Proviant und tranken das letzte Wasser, das die anderen in Lederschläuchen über die Berge getragen hatten. Das Brot war fad und steinhart, und ich war nicht der Einzige, der noch Hunger hatte, als wir fertig waren. Der Magus sah, wie ich angewidert den Brotkanten in meiner Hand betrachtete, und lachte. Er war gut gelaunt und schien bereit zu sein, über unsere Meinungsverschiedenheiten hinwegzusehen, seit er mich gründlich in meine Schranken gewiesen hatte.
    »Ich weiß«, sagte er. »Mach dir nicht erst die Mühe, dich zu beschweren. Zum Mittagessen treibe ich frisches Brot für dich auf, das verspreche ich.«
    »Wie lange dauert es noch bis zum Mittagessen?«
    Er wandte sich ab, um den Pfad vor uns zu mustern. Er fiel steil ab und gestattete uns einen Blick auf das Tal vor uns. Die Aussicht war beschränkter als die, die wir weiter oben am Berg gehabt hatten. Der Fluss war verschwunden. Das Meer auch. »Kannst du die Lücke zwischen den Olivenbäumen erkennen?«, fragte der Magus. Ich sah, wohin er zeigte, und erspähte die Dächer einiger Häuser, nur drei oder vier Meilen entfernt. »Dort werden wir etwas zum Mittagessen bekommen.«
    »Dann überlasse ich den Rest meines Frühstücks den Vögeln.« Ich warf das Brotstück über die Felsen, die unseren Lagerplatz umgaben. Alle bis auf Pol taten es mir nach. Als Soldat hatte er wahrscheinlich schon Schlimmeres gegessen.
    Bald waren wir wieder auf freier Fläche. Die Rinne, die der Bach ausgewaschen hatte, endete auf einer Klippe, die die Abbruchkante des Berges bildete. Sechzig Fuß unter uns raunten Wellen aus Olivenbäumen. Zwischen der Klippe und den Bäumen lagen wie die Schaumkronen anbrandender Brecher Steine jeder Größe verstreut. Zu meiner Linken und zu meiner Rechten erstreckten sich die Klippe, die Bäume und das Felsgewirr bis an den Rand des Gesichtsfelds. Vor uns wogten die Olivenbäume meilenweit, hoben sich hier und da ein wenig, aber senkten sich insgesamt zum verborgenen Fluss hin ab. Ihre silberne Oberfläche wurde von Inseln aus leuchtendem Grün, die aus Eichen bestanden, und einsamen Zypressen durchbrochen, die wie auf den Griff gestellte Schwerter wirkten. Die Dächer des Orts, auf den der Magus mich vorhin hingewiesen hatte, waren die einzigen von Menschenhand geschaffenen Dinge, die die Baumfläche durchbrachen.
    »Das ist wie ein Meer«, sagte Sophos und sprach so meine Gedanken laut aus.
    »Es ist ein Meer«, sagte der Magus leise. »Man nennt es das Olivenmeer. Es wurde einst gepflanzt, um einen der alten Götter zu ehren – vor so langer Zeit, dass

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