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Die Legenden von Attolia 1: Der Dieb (German Edition)

Die Legenden von Attolia 1: Der Dieb (German Edition)

Titel: Die Legenden von Attolia 1: Der Dieb (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan Whalen Turner
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zahlreichen Verwandten, von denen ich die meisten immer für eine lästige Bürde gehalten hatte – aber wenn es nicht eine Verwandte gegeben hätte, die ich lieb hatte, wäre ich nie im Gefängnis des Königs gelandet. Es war wohl besser, sie alle zu haben als gar niemanden. Das waren vermutlich die ersten großmütigen Gedanken, die mir je über einige meiner Cousins durch den Kopf gingen. Ich antwortete dem Magus: »Ich habe eine Überfülle von Verwandten, und ich frage mich, ob ich besser dran bin als Ihr.«
    »Vielleicht.« Er trieb sein Pferd an.
    Nach einer Weile begann Sophos wieder zu sprechen. Er war selten lange still. »Wenn im Dorf nicht mehr genug Menschen leben, warum ziehen nicht Leute von irgendwo anders dorthin?«
    »Von wo?«, fragte der Magus.
    »Aus dem Rest von Attolia?«, schlug Sophos zögerlich vor.
    »Sie sind auch tot, du Dummkopf«, antwortete Ambiades, und der Magus zuckte zusammen.
    »Die Pest hat die Bevölkerung im ganzen Land ausgedünnt«, erklärte er sanfter. »Es gibt so gut wie nirgendwo auch nur einen geringen Überschuss an Menschen, nicht einmal in den Städten.«
    »Sie könnten aus Sounis herziehen.«
    »Ja. Das könnten sie.« Das war eindeutig das, was auch der König von Sounis sich dachte.
    »Das wäre eine Invasion«, sagte ich.
    »Und?«, fragte Ambiades herausfordernd.
    »Und die Attolier könnten etwas dagegen haben.«
    »Aber sie nutzen das Land doch nicht einmal, Gen«, wandte Sophos ein. Ich fragte mich, wie er es gefunden hätte, wenn die Rollen vertauscht gewesen wären und Attolia das Land seines Volkes annektiert hätte.
    »Sie könnten dennoch etwas dagegen haben«, sagte ich.
    »Das wird keine Rolle spielen«, erwiderte der Magus.
    »Für die Attolier sehr wohl«, sagte ich zu meinem Pferd.
     
    Am Ende des Tages erreichten wir den Rand des Olivenmeers. Wir waren einer längst überwucherten Fahrspur gefolgt. Als sie nach Süden abbog, führte der Magus uns zurück zwischen die Bäume. Eine Viertelmeile weiter endeten die Bäume, als hätten die Götter von den Klippen zu unserer Linken bis zum Fluss, der zu unserer Rechten außer Sichtweite lag, eine Linie gezogen. Die Berge hoben sich schwarz vom Rosa und Blau des Abendhimmels ab. Sie waren lange Zeit von den Bäumen verborgen gewesen, und es war tröstlich, sie wiederzusehen.
    Vor uns gab es keine Bäume und kaum Sträucher irgendwelcher Art. Der Boden bestand aus zerklüfteten Felsen und Geröll. Die untergehende Sonne warf schwarze Schatten auf die ebenso schwarzen Steine.
    »Was ist hier geschehen?«, fragte Sophos.
    »Dies ist die Dystopie«, sagte der Magus. »Wir machen hier für die Nacht Halt.« Während Pol das Abendessen kochte, erklärte der Magus, dass die Dystopie aus den Überresten des kochenden Gesteins bestand, das vor Tausenden von Jahren aus dem Heiligen Berg hervorgeströmt war. Der Boden war reich an Mineralien, aber zu hart, als dass dort Pflanzen hätten wurzeln können. Die Dystopie war schwer zu durchqueren; es war unmöglich, eine Straße hindurchzubauen. Sie war so leer wie nur irgendein Landstrich auf der ganzen Welt.
    »Natürlich gibt es einen Mythos, um das zu erklären«, sagte der Magus, gähnte und fuhr sich mit den Händen durch die Haare, »aber ich bin jetzt zu müde, um mir auch nur anzuhören, wie Gen ihn erzählt. Also will ich nur sagen, dass Eugenides versuchte, die Donnerkeile zu benutzen, die er dem Himmel gestohlen hatte, und das Feuer auslöste, das diese ganze Fläche verbrannte.«
    »Er hat seinen Bruder getötet«, sagte ich von dort, wo ich schon auf meinen Decken lag.
    »Hmm? Wie war das, Gen?«
    »Sein Vater und seine Mutter – nicht die Göttin, seine sterblichen Eltern – hatten endlich Kinder bekommen, und Eugenides tötete seinen Bruder unabsichtlich mit dem Feuer. Damals rettete ihn Hamiathes, und Hephestia schenkte Hamiathes seine Gabe, um ihn zu belohnen, weil sie ihren Bruder gern mochte.«
    »Nun wissen wir also alles«, sagte Ambiades säuerlich aus seinen Decken hervor, und wir schliefen alle ohne ein weiteres Wort ein.
     
    In jener Nacht hatte ich einen seltsamen Traum von einem Raum mit marmornen Wänden und einer Frau in Weiß, und ich erwachte genau in dem Augenblick, als der Mond hinter den Olivenbäumen unterging. Es fiel mir schwer, wieder einzuschlafen, also setzte ich mich auf. Pol hielt Wache. Wenn es der Magus gewesen wäre, hätte er mich angewiesen, mich wieder hinzulegen. Sophos hätte reden wollen, aber Pol sah mich nur

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