Die Legenden von Attolia 1: Der Dieb (German Edition)
Proviant, den wir noch hatten, ließen sie in den Rucksäcken und sagten uns, wir sollten ihn zum Mittagessen verspeisen. Sophos öffnete das Gepäck, holte das Brot und ein paar warme, schwitzende Käsestücke hervor und reichte sie herum. Er gab mir einen Brotlaib, damit ich ihn aufteilte, und ich behielt das meiste; den Rest reichte ich an Ambiades weiter. Er protestierte.
»Götterverdammt, ich hatte kein Frühstück!«, knurrte ich, und er wich zurück. Offenbar war mein Zorn immer noch wirkungsvoll. Ambiades mochte den Grund dafür, dass ich die Mahlzeit am Morgen versäumt hatte, nicht erwähnen.
Nachdem wir das Brot und den glitschigen Käse gegessen hatten, kauten wir auf den Dörrfleischstreifen herum. Sophos erklärte bekümmert: »Ich habe immer noch Hunger.«
Ich verschränkte die Arme, ohne etwas zu sagen. Da hatten sie Pech gehabt.
»Wir könnten ein paar Fische aus dem Fluss angeln«, sagte Ambiades. »Pol hat Angelschnur und Haken im Rucksack.«
Sophos sah zu mir herüber.
»Erwartet nicht, dass ich euch helfe«, sagte ich.
»Wir erwarten nie von dir, hilfsbereit zu sein, Gen, aber ich möchte wetten, du willst etwas von dem Fisch abhaben, wenn wir welchen fangen«, sagte Ambiades.
»Ich könnte angeln, und du könntest ihn bewachen«, schlug Sophos vor. Ich begriff, dass auch er mich mittlerweile für ein unzuverlässiges Stück Vieh hielt.
»Du bist ein entsetzlich schlechter Angler. Du reißt immer an der Schnur und verlierst den Köder.«
»Ich könnte ihn ja bewachen, während du angelst.«
Ambiades schnaubte. »Wenn er aufstehen und davonspazieren würde, würdest du ihn nicht aufhalten. Nein. Wir werden ihn stattdessen fesseln.«
»Das werdet ihr nicht tun«, sagte ich.
»Wie?« Sophos ignorierte mich.
»Der Magus hat einen Strick im Gepäck. Hol ihn her.«
Sophos ging, während ich weiter protestierte.
»Ihr werdet mich nicht fesseln! Der Magus hat gesagt, dass ihr mich im Auge behalten sollt. Von angeln gehen war nicht die Rede.«
»Halt den Mund«, entgegnete Ambiades. »Es ist deine Schuld, dass nichts mehr zu essen da ist.«
»Nein«, sagte ich. »Ihr werdet mich nicht fesseln.«
Ich hatte mit untergeschlagenen Beinen auf dem Boden gesessen. Als Ambiades sich mit dem Strick über mich beugte, rollte ich mich weg. Er ließ sich auf mich fallen, quer auf meine wunden Schultern, und ich schrie auf. Er führte eine Seilschlinge über eine meiner Hände und zurück und zog sie um die neue, rosige Haut dort fest, wo die Wunden beinahe verheilt waren.
»Nicht.« Ich schrie noch einmal. Ich packte das Seil, um zu verhindern, dass es sich noch fester zuzog, und wollte die Schlinge abstreifen, aber der raue Strick schnitt in die empfindliche Haut ein. Ambiades riss an dem Seil, entwand es meiner Hand und zog die Schlinge zu.
»Halt still, sonst ziehe ich noch fester zu«, sagte er, und ich gab auf. Ich saß still, während sie mir Handgelenke und Knöchel fesselten, beschwerte mich aber die ganze Zeit über.
»Geh ganz sicher und zieh es stramm an«, riet Ambiades Sophos, der mit meinen Knöcheln beschäftigt war.
»Es ist zu stramm«, sagte ich, »du fesselst meine Hände zu eng.«
»Halt den Mund«, sagte Ambiades noch einmal.
»Bist du sicher, dass es nicht zu stramm ist?«, fragte Sophos.
»Natürlich bin ich sicher. Bist du mit seinen Füßen fertig?«
»Ambiades …« Ich unternahm eine letzte Anstrengung, ihn zu überzeugen. »Du hast meine Hände zu stramm gefesselt. Ich spüre meine Finger nicht mehr. Du musst den Strick lockern.«
»Vielleicht solltest du das tun, Ambiades.«
»Sei nicht so dumm, Sophos, das sagt er nur so. Sieh doch, seinen Händen geht es gut.«
»Nein! Schau.« Ich hielt sie zu Sophos hoch. Die rosige Haut beiderseits des Stricks war bereits geschwollen, aber er sah nur meine Finger an.
»Sie sind noch nicht blau.«
»Das werden sie aber bald sein.«
»Werden sie nicht. Komm schon, Sophos.« Ambiades hatte die Angelausrüstung aus Pols Rucksack geholt und zog Sophos fort.
Ich wollte ihnen nachrufen, dass sie zurückkommen sollten, aber ich hatte Angst, dass mich so nahe an einer attolischen Ortschaft jemand hören könnte. Ein neugieriger Dörfler könnte dafür sorgen, dass wir in einen Keller gesperrt wurden, bis ein Gardist der Königin kam, um uns zu verhören. Ich wollte nicht öffentlich geköpft werden, und die Stricke waren nicht so fest angezogen, dass ich sie nicht für kurze Zeit hätte ertragen können. Ich rechnete noch
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