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Die Legenden von Attolia 1: Der Dieb (German Edition)

Die Legenden von Attolia 1: Der Dieb (German Edition)

Titel: Die Legenden von Attolia 1: Der Dieb (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan Whalen Turner
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immer damit, dass der Magus oder die Nichtsnutze jeden Augenblick zurückkommen würden. So saß ich da und sah zu, wie meine Hände blau anliefen.
    Ambiades und Sophos kehrten nicht vom Fluss zurück, bevor sie gesehen hatten, dass Pol am Flussufer entlangkam. Sie fanden mich auf der Seite liegend; ich atmete ruhig und versuchte, das Blut durch geistige Anstrengung an den einschnürenden Knoten vorbeizuzwängen, die geschwollen und fleckig waren.
    »Oh nein«, sagte Sophos.
    »Verdammt richtig«, zischte ich. »Nehmt die Stricke ab. Seid vorsichtig! «
    Ambiades hatte an den Knoten zu zerren begonnen, und der Schmerz war entsetzlich. Er riss an den Stricken und zog die Knoten so noch fester zu.
    »Hör auf, hör auf!«, sagte ich. »Lass sie einfach so. Du kannst sie abschneiden.« Aber er hörte nicht auf mich. Es gelang ihm, eine Seilschlinge zu lockern, und er quetschte sie über meine Faust, wobei er mir die Haut an den Fingerknöcheln aufschürfte. »Du bringst mich um! «, konnte ich gerade noch schreien, als Pol auf die Lichtung gestürzt kam. Er zog Ambiades weg und sah erst auf meine Hände, dann auf den vergessen im Staub liegenden Fisch hinab.
    »Geht alle beide noch mehr Fisch holen!«
    Nach ein paar unsicheren Schritten rückwärts wandten sich Sophos und Ambiades beide um und eilten ins Gebüsch am Fluss. Als sie fort waren, machte sich Pol daran, die verknoteten Stricke vorsichtig zu entfernen. Ich machte mir nicht die Mühe, vielsagend zu wimmern. Ich lag still da, während er die Seile durchschnitt, und zischte nur, als er sie von der Haut löste, an der sie hafteten.
    Er begann, mir die verkrümmten Finger gerade zu biegen. »Nicht«, sagte ich.
    »Sie müssen bewegt werden. Das Blut ist dort zusammengelaufen.«
    »Ich kümmere mich darum«, versprach ich. »Allein.«
    Nach einem Augenblick nickte er.
    »Wo ist der Magus?«, fragte ich.
    »Er hat mich mit einem Teil des Proviants vorausgeschickt. Und das ist auch gut so.« Pol warf einen Blick über die Schulter zum Fluss. »Er muss das hier nicht unbedingt erfahren.«
    »Oh doch, das muss er«, erwiderte ich. Mittlerweile war ich so weit, dass ich gern gesehen hätte, wie Ambiades bei lebendigem Leib die Haut abgezogen wurde.
    »Nein«, sagte Pol, »muss er nicht.« Er hockte sich ein wenig tiefer hin, so dass er mir in die Augen sehen konnte. »Der Ruf und das Leben des Magus hängen davon ab, ob er diesen albernen Stein findet, ganz gleich, wo er ist, und er wird den Menschen umbringen, der ihn davon abhält, den Stein zu bekommen. Und dieser Mensch wird nicht« – er drohte mir mit dem Finger – »Sophos sein.« Ich sah ein, dass es keine Möglichkeit gab, Ambiades bestrafen zu lassen, ohne dass auch Sophos Ärger bekam.
    »Sein Vater hat mich mitgeschickt, um sicherzustellen, dass er beschützt wird und auf dieser Reise etwas lernt, aber er soll nicht lernen, was geschieht, wenn man die Pläne eines Mannes wie des Magus durchkreuzt.« Das waren mehr Wörter auf einmal, als ich Pol bisher je hatte sprechen hören. Er grub eine Hand in den Stoff meiner Tunika und zog mich näher zu sich heran. »Ich habe Befehl, dafür zu sorgen, dass er unversehrt bleibt und nicht in Schwierigkeiten gerät. Ob es uns gelingt, etwas zu finden, das einem Märchen entstammt, ist mir nicht wichtig. Verstanden?«
    Erst nickte ich mit Nachdruck, dann schüttelte ich den Kopf. Ja, ich verstand. Nein, der Magus musste doch nichts erfahren. Wenn ich darüber nachdachte, hatte ich Sophos schließlich nichts vorzuwerfen, und Ambiades konnte ich auch allein zu Hackfleisch verarbeiten.
    Pol ging zu seinem Rucksack, um das Verbandszeug daraus hervorzuholen, und brachte ein paar Bandagen mit, daneben auch Salbe, die er auf meine wunden Handgelenke rieb, und ein kleines Papierpäckchen mit getrockneten Beeren.
    »Kau zwei davon«, sagte er. »Sie helfen gegen die Schmerzen. Wir sagen dem Magus, dass eine deiner Wunden sich wieder entzündet hat.«
    »Wie viel Zeit habe ich noch, Pol?«
    »Bis wann?«
    »Bis wir an den Ort gelangen, an den wir reisen.«
    »Woher soll ich das wissen?«
    »Du weißt, wie viel Essen der Magus gekauft hat.«
    Er überlegte kurz. »Noch zwei Tage.«
     
    Der Magus kehrte mit dem Rest des Proviants zurück und nahm Pols Geschichte über meine Handgelenke fraglos hin. Er schien nur besorgt zu sein, dass ich meine Hände nicht würde gebrauchen können, und Pol beruhigte ihn. Ambiades blickte höhnisch drein, aber Sophos war sichtlich erleichtert.

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