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Die Legenden von Attolia 1: Der Dieb (German Edition)

Die Legenden von Attolia 1: Der Dieb (German Edition)

Titel: Die Legenden von Attolia 1: Der Dieb (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan Whalen Turner
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Lyopidus das älteste Kind seines Vaters gewesen, und das vergaß er nie. Beim Abendessen saß Eugenides zur Rechten ihres Vaters, und wenn Gäste ins Haus kamen, war es Eugenides, der ihnen den Weinbecher reichte.
    Als das Haus der Familie vom Himmelsgott zerstört wurde, war Lyopidus sich sicher, dass man Eugenides die Schuld daran geben würde. Eugenides war es doch, der den Zorn des Himmels heraufbeschworen hatte! Lyopidus wollte, dass seine Mutter und sein Vater Eugenides im Wald zurückließen, aber das taten sie nicht. Und als Eugenides die Donnerkeile des Himmelsgottes stahl und unsterblich wurde, verwandelte sich die Eifersucht des Lyopidus in Hass.
    Eugenides wusste um die Gefühle seines Bruders, und um ihnen aus dem Weg zu gehen, durchstreifte er die Welt. So saß nun Lyopidus zur Rechten seines Vaters und bot dessen Gästen den Weinbecher dar, aber er war immer noch nicht glücklich. Als der Himmelsgott als Wagenlenker verkleidet zu ihm kam und ihm einen Plan unterbreitete, wie man Eugenides demütigen könnte, hörte er bereitwillig zu.
    Der Himmelsgott nahm Lyopidus mit auf seinen Wagen und fuhr ihn über das Mittlere Meer zu dem Haus, in dem Eugenides lebte, und Lyopidus ging, klopfte an Eugenides’ Tür und sagte: »Ein Fremder ist hier und möchte aus deinem Weinbecher trinken.«
    Und Eugenides kam an die Tür und sah Lyopidus und sagte: »Bruder, du bist mir nicht fremd. Warum bittest du darum, als Fremder meinen Weinbecher mit mir teilen zu dürfen, obwohl dir doch alles zur Verfügung steht, was ich besitze, da du mein Verwandter bist?«
    »Eugenides«, sagte Lyopidus, »früher war ich dir nicht wohlgesinnt, aber nun sind all diese bösen Gefühle verflogen. Deshalb sage ich, dass ich dir fremd bin, und als jemand, der dir nicht vertraut ist, bitte ich darum, deinen Weinbecher mit dir teilen und dein Gast sein zu dürfen, so dass du herausfinden kannst, ob du mich magst und ob du mich nicht nur Bruder, sondern auch Freund nennen kannst.«
    Eugenides glaubte ihm, und so holte er seinen Weinbecher, teilte ihn mit Lyopidus und nannte ihn seinen Gast. Aber Lyopidus war kein Freund und kein guter Gast. Er stellte seinem Bruder viele Fragen, etwa die, wie er jagte, wie gut er lebte und welche Annehmlichkeiten er hätte. Hatte er einen samischen Spiegel? Eine Bernsteinkette? Goldene Armreifen? Einen eisernen Kochtopf? Und jedes Mal, wenn Eugenides sagte, dass er, nein, diesen Gegenstand nicht besitze, sagte Lyopidus: »Oh, das überrascht mich aber! Du bist doch ein Sohn der Erde.«
    Und Eugenides sagte: »Die Erde schenkt mir nichts, was sie nicht allen Menschen schenkt. Ich kann sie doch wohl kaum bitten, jedem Menschen einen eisernen Kochtopf zu schenken, damit ich selbst einen bekomme.«
    »Ach«, sagte Lyopidus, »könntest du dann nicht einen stehlen? So, wie du die Donnerkeile des Himmels gestohlen hast? Aber nein«, sagte er und warf so seine Haken aus, »ich nehme an, etwas so Großartiges könntest du kein zweites Mal leisten.«
    »Doch, das könnte ich«, erwiderte Eugenides und tappte wie eine Maus in die Falle, »wenn ich nur wollte.« »Ah«, sagte Lyopidus.
    Und jeden Tag zog Lyopidus an den Haken, die er in Eugenides Fleisch gebohrt hatte, und bat ihn, irgendeine wunderbare Tat zu vollbringen. »Ich könnte unseren Eltern davon berichten, wenn ich zu ihnen zurückkehre«, erklärte er. »Sie haben doch so lange nichts von dir gehört!«
    Eine Zeitlang wich Eugenides seiner Bitte aus, aber Lyopidus schürte seinen Hochmut, indem er ihm wieder und wieder sagte, wie schlau er es doch angestellt hätte, den Himmelsgott zu überlisten, und wie viel schlauer er noch sein könnte, wenn er es sich nur in den Kopf setzte. Zum Beispiel könnte er doch nur zum Vergnügen die Donnerkeile noch einmal stehlen und dann zu Hephestia zurückbringen. Er wusste, dass Hephestia ihren Halbbruder, der halb Mensch, halb Gott war, schätzte und ihm für den Streich nicht zürnen würde.
    Nach einer Weile erklärte Eugenides sich dazu bereit. Er wusste, dass es Hephestia nichts ausmachen würde, und er war darauf erpicht, Lyopidus zu beeindrucken, weil er glaubte, dass Lyopidus nicht nur sein Bruder, sondern auch sein Freund sein wollte. So kletterte er eines Abends auf eine Tanne, die im großen Tal der Hephestischen Berge wuchs, und wartete, bis Hephestia auf dem Weg zu ihrem Tempel auf dem Gipfel unter ihm vorbeikam. Als sie vorüberging, langte Eugenides nach unten und hob ihr die Donnerkeile vom Rücken,

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