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Die Legenden von Attolia 1: Der Dieb (German Edition)

Die Legenden von Attolia 1: Der Dieb (German Edition)

Titel: Die Legenden von Attolia 1: Der Dieb (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan Whalen Turner
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herumtrug, weil es zu groß war. Pol hatte eines und kehrte zu seinem Rucksack zurück, um es zu holen. Ich ging zum Flussufer. Das Wasser, das im Teich stand, schwappte noch immer dagegen.
    »Wenn meine Berechnungen zutreffen, wird der Wasserzufluss dieses Jahr für vier Nächte in Folge unterbrochen werden – dies hier ist die zweite. Ertrink nicht gleich beim ersten Versuch«, sagte der Magus.
    Pol reichte mir das Stemmeisen, und es war beruhigend, es in der Hand zu halten, obwohl ich mir sicher sein konnte, dass nichts Lebendes im Tempel lauerte. Man kann keine Wachhunde an einem Ort halten, der bis auf ein paar Nächte im Jahr unter Wasser liegt. Aber Schlangen , dachte ich. Vielleicht konnte man Schlangen halten.
    Ich wartete noch eine halbe Stunde, bis das Wasser, das durch die Schlitze in der Tür floss, weniger kräftig sprudelte. Dann stieg ich in den Teich. Das Wasser war knöcheltief. Ich drehte mich um und fragte den Magus: »Wisst Ihr, ob schon einmal jemand das hier versucht hat?«
    »Ich glaube, es sind bereits mehrere Versuche unternommen worden«, sagte er.
    »Und?«
    »Niemand ist zurückgekehrt.«
    »Von drinnen?«
    »Niemand, der drinnen war, ist zurückgekehrt – aber auch kein Mitglied einer Gruppe, aus der ein Mensch sich hineingewagt hat. Ich weiß nicht, wie das geschehen kann, aber wenn du versagst, sind wir allesamt verloren.« Er lächelte und schwenkte eine Hand in einer vagen Segensgeste.
    Ich nickte und wandte mich wieder der Tür zu. Als ich sie erreichte, fragte ich mich, wie alt sie war. Ich strich mit der Hand über den glatten Granit einer Säule. Es waren sanfte Unebenheiten dort zu spüren, wo einst Rillen in den Stein gemeißelt gewesen waren. Die Tür, die zwischen den Pfeilern hing, bestand ebenfalls aus Stein. Holz wäre verfault, Metall abgenutzt. Ich steckte den Finger in einen der Schlitze, die vom jahrelangen Durchströmen des Wassers erweitert worden waren. Er wirkte im Vergleich zu der Tür eng, war aber breiter als meine Hand, sogar am schmalen Ende.
    Die Tür lag drei oder vier Fuß über der Wasseroberfläche des Teichs, und ich kletterte auf die Türschwelle, wobei ich darauf achtete, das Öl in der Lampe nicht zu verschütten. Selbst die Türangeln waren aus Stein gefertigt, und sie war schwer zu öffnen, hatte aber kein Schloss. Ich schob nicht nur gegen ihr Gewicht an, sondern auch gegen das des Wassers dahinter. Während ich mich dagegenstemmte, murmelte ich ein beiläufiges Gebet an den Gott der Diebe. Das war ein Aberglaube, den mein Großvater mich gelehrt hatte: Zu beten, wenn man seine Arbeit begann, zu beten, wenn man sie beendete, und jeden Monat eine Opfergabe auf dem Altar des Eugenides darzubringen. Ich ließ dort gern Ohrringe zurück; mein Großvater hatte Gewandnadeln geopfert.
    Die Tür schwang nach innen auf, und mehr Wasser strömte hervor. Sobald ich die Tür durchschritten hatte, schlug das Wasser sie hinter mir zu. Ich war bis an die Hüften nass, aber das Wasser auf den Stufen hinter der Tür war nur drei oder vier Zoll tief. Dennoch floss es schnell, und ich musste die Füße vorsichtig setzen, als ich die steile Treppe zu dem Raum darüber hinaufstieg, in dem ich die Kammer wiedererkannte, die ich in meinen Träumen gesehen hatte.
    Die glatten Marmorwände waren mit Flussschlick beschmiert, und auf dem Boden stand Wasser, das durch das Gitter einer Tür gegenüber von mir abfloss. Das Mondlicht, von dem ich geträumt hatte, fiel durch ein unregelmäßig geformtes Loch in der Decke, aber keine Frau in einem weißen Peplos erwartete mich. Kein vergoldeter Tisch, keine Schriftrolle.
    Ich stand unter dem Loch in der Decke und schaute hinauf. Wenn der Fluss zurückkehrte, würde er zuerst in die Kammer strömen und sich stauen, um dann den Tempel zu füllen. Wenn der Raum und der Tempel voll waren, würde immer noch etwas Wasser durch die Kammer strömen, aber ein Großteil würde darüber hinweg zum Wasserfall fließen und die Tür in der Felswand verhüllen. Das Bauwerk war ein Geniestreich, und ich fragte mich, vor wie langer Zeit es errichtet worden war. Vor fünfhundert Jahren, wenn es von Anfang an dazu bestimmt gewesen war, Hamiathes’ Gabe aufzunehmen.
    Ich durchquerte den Raum und ging zu der Tür auf der gegenüberliegenden Seite. Unterwegs erinnerte ich mich an die Fragen der Frau in Weiß. Wäre ich ein religiöser Mensch gewesen, wäre ich vielleicht stehen geblieben, um ernsthaft zu beten, aber das fiel mir nicht ein.
    Wie

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