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Die Legenden von Attolia 1: Der Dieb (German Edition)

Die Legenden von Attolia 1: Der Dieb (German Edition)

Titel: Die Legenden von Attolia 1: Der Dieb (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan Whalen Turner
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nach einem Schlüsselloch. Ich vergewisserte mich sogar, dass das Schlüsselloch, das ich mit den Fingerspitzen ertastete, echt war und nicht etwa nur ein leeres Loch, das in die Tür gebohrt worden war, um mich zu täuschen. Sobald ich sicher war, dass ich auch von der Rückseite aus das Schloss erreichen konnte, verkeilte ich meinen verbliebenen Schuh – der andere war verloren – unter der Tür und überschritt die Schwelle. Vor mir war es stockdunkel. Ohne die Öllampe konnte ich nicht sehen, ob dieser Tunnel ein Zwilling des ersten war.
    Ich grub die Hände in die Taschen der blauen Hose, die der Magus mir gegeben hatte. Eine Tasche war mit Wasser vollgelaufen und tropfnass; die andere war recht trocken geblieben. Ich hatte Streichhölzer in beiden. Ein Päckchen Schwefelhölzer in einem kleinen Silberkästchen hatte ich in dem Gasthaus mitgehen lassen, in dem wir unsere erste Nacht unterwegs verbracht hatten; in der folgenden Nacht hatte ich fünf oder sechs weitere ergattert. Die, die ich Pol gestohlen hatte, waren in ein Stück Ölpapier gewickelt. Das Wasser konnte ihnen nicht geschadet haben. In der trockenen Hosentasche hatte ich auch ein kleines Federmesser mit einklappbarer Klinge, das einem Mann gehört hatte, der eines Tages beim Mittagessen neben uns gesessen hatte, mehrere Lederriemen, ein längeres Stück Baumwollzwirn und die Fibel, die dem Magus dazu gedient hatte, seinen Mantel zusammenzuhalten. Der dumme Kerl glaubte, er hätte sie vor seinem letzten Bad verloren. In der nassen Hosentasche befanden sich noch verschiedene Münzen, zwei feuchte Streifen gedörrten Rindfleisches und Ambiades’ Kamm. Ich fragte mich, ob er wohl schon bemerkt hatte, dass der Kamm verschwunden war.
    Ich schob mir eines der Rindfleischstücke in den Mund und kaute darauf herum, während ich nachdachte. Ich konnte immer noch umkehren, um Keile für die Tür und ein neues Licht zu holen, aber beides brauchte ich eigentlich nicht. Ich zweifelte nicht an meiner Fähigkeit, jede beliebige verschlossene Tür zu öffnen, solange sie nur ein Schlüsselloch hatte, und war es gewohnt, ohne Licht zu arbeiten. Ich zog ein Streichholz aus dem Silberkästchen und entzündete es. Vor mir erstreckte sich der Gang, der aus dem massiven Fels herausgehauen war; am Ende lag eine weitere Metalltür. Ich ließ meinen Schuh zurück, um die Tür so gut offen zu halten, wie er es vermochte, und ging vorwärts. Das Streichholz brannte bis zu meinen Fingern ab; ich blies es aus und ging im Dunkeln weiter.
    Die Tür war verschlossen. Ich öffnete sie und musste sie hinter mir zufallen lassen, aber ich überprüfte zunächst das Schlüsselloch auf der Rückseite. Hinter der Tür lag ein weiterer Gang, der nicht anders als die übrigen war. Ich entzündete ein Streichholz und tastete mich dann an den Steinwänden entlang durch die Dunkelheit. Der Boden war uneben, und ich stieß mir einmal den Zeh, setzte meine Füße danach aber vorsichtiger auf. Ich beeilte mich nicht. Als meine Hände über den Stein seitlich von mir strichen, berührten sie etwas Kaltes, Hartes und völlig Glattes. Ich blieb stehen, tastete noch genauer und entzündete dann ein Streichholz, um nachzusehen, was ich gefunden hatte. Es war hephestisches Glas, Obsidian, der sich gebildet hatte, als der Fels, durch den ich schritt, bis zur Verflüssigung erhitzt über diesen Teil der Welt geströmt war. In alten Zeiten war er abgebaut und für Pfeil- und Speerspitzen verwendet worden; heute wurde er immer noch für Schmuck und die Klingen von Ziermessern geschätzt. Das Stück vor mir war so groß wie mein Kopf und wäre sehr wertvoll gewesen, wenn ich eine Möglichkeit gehabt hätte, es aus der Wand zu brechen.
    Ich ging weiter, und meine über den Stein gleitenden Finger berührten noch ein Stück, und noch eines. Ich riss ein Streichholz an und fand mich an einer Kreuzung zwischen zwei Gängen wieder. Ich streifte die ganze Nacht lang durch die Gänge des aus der Felsklippe herausgehauenen Labyrinths, wanderte ratlos darin umher.
    Irgendwann fand ich mich überrascht vor der Tür wieder, durch die ich hereingekommen war. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass sie am Ende dieses Ganges auftauchen würde, und blieb stehen, um nachzudenken. Es war schwierig, mir im Kopf den Grundriss eines Gebäudes zurechtzulegen, das ich im Dunkeln durchschritten hatte, aber ich hatte Übung darin. Ich hätte nicht wieder an der Tür ankommen sollen, durch die ich hereingekommen war, da war

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