Die Legenden von Attolia 1: Der Dieb (German Edition)
unter mir die Fersen in die Flanken.
Bis zum Morgen hatten wir die Strecke bis zum Bergpfad schon beinahe zurückgelegt. Die Pferde waren erschöpft, und unsere Verfolger hatten so weit zu uns aufgeschlossen, dass wir sie auf geraden Straßenabschnitten schon zwei Mal über die Schulter gesehen hatten. Der Stallknecht musste die städtische Garnison alarmiert haben, ohne erst seine Pferde zu zählen. Wir hatten die Soldaten aus den Augen verloren, als wir in die Olivenhaine abgebogen waren, aber sie blieben uns dicht auf den Fersen. Als wir uns im Dunkeln zwischen den Bäumen hindurchschlängelten, kamen wir etwas schneller voran als unsere Verfolger, aber nur, weil wir wussten, wohin wir unterwegs waren, und sie nicht.
Der Berg ragte so steil aus dem Olivenmeer auf, dass er ohne Vorwarnung auftauchte, als wir zwischen den Bäumen hervorkamen. Plötzlich schien die Sonne vor uns auf die Geröllhaufen am Fuße der Klippe. Der Magus zügelte sein Pferd und stieg ab.
»Nicht viele kennen diesen Steig. Wenn wir die Klippe erklimmen können, bevor sie uns sehen, wissen sie vielleicht nicht, wohin wir verschwunden sind.«
»Beginnt denn hier nicht Eddis? Sind wir damit nicht auf neutralem Gebiet?«, fragte Sophos.
»Nur, wenn genug Eddisier da sind, um darauf zu bestehen«, sagte der Magus und versetzte seinem Pferd einen Schlag mit der Reitpeitsche, so dass es, gefolgt von den anderen Tieren, den schmalen Streifen zwischen den Bäumen und Bergen entlang davonstürmte. »Setzt euch in Bewegung«, sagte er zu uns anderen.
»Ich nicht«, sagte ich; ich hatte vor, mir ein sicheres Versteck zu suchen, bis die Jagd vorübergezogen war. Es war höchste Zeit für mich, meiner eigenen Wege zu gehen. Wenn sie die Verfolger erst los waren, würden der Magus und Pol ihre Aufmerksamkeit womöglich darauf richten, meine Rückkehr nach Sounis und ins Gefängnis sicherzustellen, und ich würde nicht ins Gefängnis oder auch nur nach Sounis zurückkehren.
Der Magus war erstaunt. Dann wurde er wütend. »Was meinst du damit – du nicht?«
»Ich gehe nicht zurück ins Gefängnis oder in die Silberminen oder irgendein anderes Loch im Boden. Ich werde in Attolia mein Glück versuchen.«
»Du glaubst, dass ich dich ins Gefängnis zurückbringen würde?«, fragte der Magus.
»Ihr glaubt, dass ich Euch vertraue?«, antwortete ich ungerechterweise. Er hatte mir keinen Grund gegeben, ihm nicht zu trauen, aber alle erinnerten sich an meine Bemerkung in den Bergen über die Wahrscheinlichkeit, ein Messer in den Rücken zu bekommen.
»Die Attolier werden dich genauso umbringen«, sagte er. »Wahrscheinlich auf noch schmerzhaftere Weise.«
»Sie werden zu sehr damit beschäftigt sein, Euch zu jagen.«
Der Magus warf einen Blick zu Pol hinüber.
»Ihr könnt keine Zeit damit verschwenden, mich zu zwingen«, erklärte ich.
Der Magus warf die Hände in die Luft. »Gut!«, brüllte er. »Dann geh doch und stirb auf den Schwertern der Attolier! Lass dich auf die Streckbank spannen, vierteilen, aufhängen, mich kümmert es nicht! Verbring doch den Rest deines Lebens in einem ihrer Verliese! Was sollte mir das schon ausmachen?«
Ich seufzte. Ich hatte ihn nicht kränken wollen. »Lasst mir ein Schwert hier«, sagte ich gedankenlos, »dann tue ich mein Bestes, sie aufzuhalten.« Ich hätte mir die Zunge abbeißen können, aber der Magus nahm mich nicht beim Wort. Er schnaufte nur ungläubig und wandte sich ab.
Die anderen folgten ihm, aber Sophos kehrte nach ein paar zögerlichen Schritten um. Er zog unbeholfen sein Schwert aus der Scheide und bot es mir mit dem Heft voran dar. »Mir nützt es ja ohnehin nichts«, erklärte er wahrheitsgemäß.
Es war ein Anfängerschwert, leichter als ein gewöhnliches, aber besser als nichts. Ich fasste es am stumpfen Teil der Klinge unmittelbar unterhalb des Griffs an und grüßte ihn damit, bevor er sich abwandte und dem Magus nacheilte, der zurückgeblickt hatte, um verächtlich zu schnauben, bevor er zwischen den Felsen verschwunden war.
Ich suchte mir einen Felsbrocken in der Nähe aus und kletterte an seiner Seite empor. Oben angekommen befand ich mich über der Augenhöhe jedes vorbeikommenden Reiters – es war ein so gutes Versteck wie nur irgendeines. Sämtliche Verfolger würden vorbeireiten, ohne meine Anwesenheit zu bemerken, es sei denn natürlich, ich sprang schwertschwingend auf sie hinab.
Ich konnte mir nicht erklären, was mich geritten hatte, dem Magus so etwas vorzuschlagen. Ich
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