Die Legenden von Attolia 1: Der Dieb (German Edition)
hatte im Gefängnis des Königs den Göttern geschworen, dass ich mich nicht in noch mehr törichte Pläne verwickeln lassen würde. Natürlich hatte ich damals nicht so recht an die Götter geglaubt, aber warum hätte es mich kümmern sollen, was dem Magus und seinen Lehrlingen zustieß? Ich lag zehn Minuten schwitzend in der Sonne, ging sämtliche Gründe durch, weshalb ich den Magus und alles, wofür er stand, verabscheute, und versuchte, das scheußliche Bild zu verdrängen, wie sie allesamt geköpft wurden.
Das Klirren von Trensen ertönte, und ein paar hundert Schritt entfernt wagten sich die Attolier einer nach dem anderen aus dem Schutz der Bäume hervor. Sie machten Halt, um die Hufspuren in Augenschein zu nehmen, die zum Hauptpass führten, ignorierten sie dann aber und ritten direkt zum geheimen Steig des Magus. Das war nicht die Garnison aus Kahlia: Wie die Soldaten, denen wir zuvor begegnet waren, trugen sie die Farben der Garde der Königin.
Als sie unter mir vorbeikamen, sagte ich mir ein weiteres Mal, dass das einzig Vernünftige gewesen wäre abzuwarten, bis sie vorüber waren, so dass ich auf der Rückseite des Felsens hinabgleiten und mich in die Bäume schlagen konnte. Doch dann sprang ich dem zweiten Reiter von vorn auf die Schultern. Die anderen Pferde bewegten sich zu schnell, um anzuhalten, und als ich auf dem Attolier liegend zu Boden stürzte, sah ich einen Huf ein paar Zoll von meiner Nasenspitze entfernt auf die Erde treffen. Der Attolier wälzte sich auf mich, gerade zur rechten Zeit, um von einem nachfolgenden Huf getroffen zu werden. Das Pferd stürzte, während ich auf allen vieren davonkroch und Sophos’ Schwert mitschleifte. Es war mir gelungen, weder den Attolier samt seinem Pferd noch mich selbst aufzuspießen. Ich kam auf die Beine und lief davon. Sobald ich unter den Olivenbäumen war, konnte ich mich schneller bewegen als die Männer, die noch zu Pferde waren, und denen, die abgeworfen worden waren, war ich weit voraus. Ich war auf dem Weg zu einem Eichendickicht, das ich vor zehn Tagen von der Klippe hinab erspäht hatte. Die Eichen wuchsen buschig, und ich zählte darauf, dass ihr dichtes Laubwerk mich verbergen würde. Ohne Hunde hatten die Verfolger kaum eine Hoffnung, mich daraus hervorzuscheuchen, und ich konnte bis zum Einbruch der Nacht in Deckung bleiben, um mich dann in der Dunkelheit davonzustehlen.
Nun war das Eichendickicht schon zwischen den Stämmen der Olivenbäume hindurch zu sehen; ich wurde langsamer und versuchte, die beste Stelle auszuwählen, um unter den Schutz der Blätter zu hechten, als ein zweiter Trupp Reiter erschien und mir den Fluchtweg versperrte. Da ich nicht in der Lage war, sie für längere Zeit auf Abstand zu halten, lief ich zurück zum Berg; ich hoffte, zwischen die Felsen zu gelangen, wo ich nicht niedergeritten werden konnte. Wenn ich die Klippe erklettern konnte und sie weder Armbrüste noch – mochten die Götter das verhüten! – Feuerwaffen hatten, um auf mich zu schießen, dann würde ich vielleicht davonkommen oder mich zumindest ergeben können, ohne vorher getötet zu werden. Ich rannte über den harten Erdboden unter den Oliven, und irgendein kleiner Teil von mir, der etwas Vernünftigeres hätte denken sollen, erkannte, dass meine Kraft zurückgekehrt war, seit ich das Gefängnis des Königs verlassen hatte.
Ich gelangte auf die Freifläche, aber meine Verfolger holten mich ein, unmittelbar bevor ich die Felsen erreichte. Ein Pferd verstellte mir den Weg, und ich musste die Richtung ändern, um ihm auszuweichen. Überall waren Pferde, und Geschrei ertönte. Alle schienen zu schreien.
Kapitel 11
Ich hörte die Stifte im Schloss klicken, als die Wachen meine Zellentür aufschlossen und dann öffneten, um den Magus hineinzuscheuchen. Ohne den Kopf zu wenden, konnte ich seine Umrisse im Türrahmen erkennen; Sophos stand neben ihm. Nachdem die Tür wieder zugeschlagen und hinter ihm verschlossen worden war, war es dunkel in der Zelle. Ich lag still und hoffte, dass er mich nicht gesehen hatte.
»Magus?«, flüsterte Sophos.
»Ja, ich hab’s gesehen«, antwortete der Magus, und meine Hoffnung schwand. Ich hörte ihn kleine, vorsichtige Schritte über den Boden machen. Als er in meiner Nähe war, hockte er sich hin und streckte die Hände aus. Eine von ihnen streifte mein Bein, dann meinen Ärmel und folgte ihm meinen Arm hinab, bis der Magus ganz flüchtig meine Hand berührte, um zu sehen, ob ich warm und am Leben oder
Weitere Kostenlose Bücher