Die Legenden von Attolia 1: Der Dieb (German Edition)
versprochen, zu ihr zurückzukehren.«
Die Königin war erheitert. Der Magus war konsterniert. Er konnte sich nicht erklären, warum ich eine Gelegenheit, mich zu retten, wegwerfen wollte. In meiner Akte im Gefängnis des Königs stand ganz sicher nichts von irgendwelchen Liebschaften. Ich war mir sicher, weil ich die Akte selbst geschrieben hatte. Das war eine einfache Möglichkeit gewesen, aus vielen Prahlereien einen gediegenen Ruf zu machen, und es war nicht schwer gewesen, sie zwischen die echten Akten zu schieben. Jeder, der den Siegelring des Königs stehlen kann, kommt auch mit den Schlössern an seinem Archiv zurecht.
»Du bist jemandem versprochen?«, fragte die Königin ungläubig.
»Das bin ich, Euer Majestät«, sagte ich fest.
»Und du willst dieses Versprechen nicht brechen?« Sie schüttelte betrübt den Kopf.
»Das könnte ich nicht, Euer Majestät.«
»Sicher ist es besser, mir zu dienen als ihr?«
»Ihr seid schöner, Euer Majestät.« Die Königin lächelte wieder, bevor ich schloss: »Aber sie ist gütiger.«
So viel zum Thema Taktgefühl. Das Lächeln verschwand. Man hätte eine Stecknadel zu Boden fallen hören können, als ihre Alabasterwangen rot anliefen. Niemand hätte der Königin von Attolia je vorwerfen können, gütig zu sein.
Sie lächelte mich wieder an, mit einem anderen, dünneren Lächeln, und neigte den Kopf, wie um anzuerkennen, dass dieser Punkt an mich ging. Ich erwiderte ihr Lächeln, auf bittere Art zufrieden mit mir, bis sie sich dem Hauptmann ihrer Garde zuwandte.
»Bringt ihn nach oben und holt einen Arzt«, befahl sie. »Wir werden ihm die Gelegenheit geben, seinen Standpunkt zu überdenken.« Ihr roter Peplos streifte meinen Handrücken, als sie sich zum Gehen wandte, und ich zuckte zusammen. Der Samt war weich, aber die Stickerei kratzte.
In einem Zimmer mehrere Stockwerke über dem Kerker lag ich im Bett, während mein Fieber stieg. Ich delirierte und war mir dessen vage bewusst. Moira erschien, um sich an mein Bett zu setzen. Sie versicherte mir, dass ich nicht im Sterben lag. Ich sagte ihr, ich wünschte, ich täte es. Dann trat Eugenides aus dem Dunkel hervor, und Moira war verschwunden. Eugenides war zunächst geduldig. Er erinnerte mich daran, dass manchmal auch Leben gestohlen werden, wie beliebige Besitztümer. Er fragte mich, ob ich lieber selbst tot gewesen wäre. Ich sagte, das wäre ich, und er fragte, was dann aus meinen Plänen geworden wäre, Ruhm zu erringen und meinen Namen in Stein gemeißelt zu sehen. Und würde ich dann auch meine Gefährten sterben lassen?
Es gefiel mir nicht, den Magus als Gefährten zu betrachten. Aber wenn er kein Gefährte war, warum hatte ich dann schon einmal mein Leben für ihn riskiert? Ich seufzte. Und dann musste ich mir noch um Sophos Gedanken machen. Ich sagte, dass ich, wenn ich nur hätte sterben können, als der Soldat das Schwert herausgezogen hatte, keine Gewissensbisse gehabt hätte. Der Gott neben mir schwieg, und das Schweigen erstreckte sich von meinem Bett durch die Burg und, wie es schien, durch die Welt, während ich mich daran erinnerte, dass Lyopidus verbrannt und gestorben war, Eugenides aber nicht.
Nach unzähligen leeren Herzschlägen sprach Eugenides aus einiger Entfernung wieder. »Seine Frau ist im Winter gestorben. Seine drei Kinder leben bei ihrer Tante in Eia.«
Als ich es wagte, den Arm zu senken, war er fort. Ich schlief wieder ein, und als ich erwachte, war ich klarer im Kopf. Es würde meinem Gewissen nicht guttun, Sophos und den Magus dem sicheren Tod zu überlassen, selbst wenn ich bald danach ebenfalls starb. Und dann hatte ich schließlich noch an Ruhm und Ehre zu denken. Ich quälte mich aus dem Bett und begann, mich im Zimmer umzusehen.
Die Riegel in der Zellentür drehten sich, und die Tür schwang auf. Die Lampen auf dem Gang brannten nicht, und weder der Magus noch Sophos konnte sehen, wer in der Tür stand.
»Ich bin’s«, zischte ich, bevor sie ein Geräusch machen konnten, das vielleicht bis in die Wachstube zu hören sein würde. Ich hörte, wie sie sich auf meine Stimme zubewegten, und trat zurück, so dass sie nicht mit mir zusammenstoßen würden. Sobald wir auf dem Gang standen, fragte ich Sophos, ob er seine Tunika noch anhätte.
»Warum?«
»Ich will, dass du sie mir gibst.«
»Warum?«
»Weil ich nichts außer Verbänden anhabe. Sie haben mir die Kleider weggenommen.« Sophos zog die Tunika aus und streckte sie in meine Richtung; er stach mir
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