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Die Legenden von Attolia 1: Der Dieb (German Edition)

Die Legenden von Attolia 1: Der Dieb (German Edition)

Titel: Die Legenden von Attolia 1: Der Dieb (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan Whalen Turner
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Mein Körper war steif geworden, während ich geschlafen hatte. Sophos schlief neben mir auf dem Boden. Der Magus stand ein Stück entfernt und sah zwischen den Felsen hindurch auf den Fluss hinab. Ich rief nach ihm, und als er sich umdrehte, um mich anzusehen, war sein Miene trostlos. Kleine Vögel begannen in meinem Magen zu picken.
    »Was ist los?«, fragte ich ihn.
    »Der Fluss fließt in die falsche Richtung.«
    Wenn man die Götter erst einmal in sein Leben gelassen hat, verliert man rasch das Vertrauen in die Naturgesetze. Die kleinen Vögel hörten auf zu picken und fielen allesamt tot um. Einen Moment lang hatte ich den Magen voller toter Vögel, weil ich dachte, dass er meinte, der Fluss hätte wahrhaftig seine Fließrichtung umgekehrt. Aber er hatte nur sagen wollen, dass er sich in der Nacht in der Fließrichtung geirrt hatte.
    Der Magus setzte sich hin und stützte den Kopf in die Hände. »Ich habe in der Stadt die Orientierung verloren«, sagte er. »Wir sind der Seperchia nicht flussabwärts zum Pass gefolgt, sondern flussaufwärts gegangen. Der Boden ist Stück für Stück angestiegen, aber das habe ich nicht bemerkt, bevor wir dieses steilere Wegstück erreicht haben. Ich habe keine Ahnung, wo wir sind.«
    Sophos setzte sich ausgerechnet in diesem Moment blinzelnd auf; so bemerkte niemand mein erleichtertes Seufzen. »Was ist?«, fragte er und sah den Magus an, der es ihm erklärte. Er wusste nur, dass wir uns vom Olivenmeer aus gesehen jenseits der Dystopie befanden. Deshalb hatte die Straße, der wir gefolgt waren, auch eine Biegung gemacht. Weiter flussaufwärts gab es kein urbares Ackerland mehr. Es bestand keine Möglichkeit festzustellen, wie weit der Pfad, auf dem wir uns befanden, uns den Fluss hinaufführen würde. Der Boden würde weiter ansteigen, felsiger und schwerer gangbar werden. Soweit der Magus wusste, gab es vielleicht gar keine Brücken mehr, bevor die Dystopie an den Fuß des Gebirges stieß, wo wir dann in der Falle sitzen würden.
    »Es gibt einen Handelsweg jenseits des Flusses, und ich bin mir sicher, dass dort auch ein paar Dörfer sind, aber ich glaube nicht, dass auch nur eines von ihnen eine Brücke in die Dystopie haben könnte.«
    »Was ist mit der Straße, auf der wir waren?«, fragte ich, obwohl ich die Antwort kannte.
    »Sie ist immer schmaler geworden«, sagte der Magus, »und jenseits von hier wird sie zu einem Steig und endet wahrscheinlich am nächsten Bauernhof.«
    »Was machen wir denn nun?«, fragte Sophos den Magus.
    »Wir gehen weiter«, sagte ich. »Wir können nicht umkehren, ohne einer Suchmannschaft in die Arme zu laufen.« Ich ließ den Kopf noch einen Moment auf dem Stein ruhen. »Wir bleiben am Fluss und hoffen, dass es genug Felsen gibt, um sämtliche Pferde aufzuhalten. Wir haben keinen offensichtlichen Grund, ausgerechnet diesen Weg zu nehmen; sie werden die Suche wahrscheinlich auf die andere Seite konzentrieren.«
    »Wir könnten uns eine Weile in der Dystopie verstecken«, schlug Sophos vor. »Wir könnten sie durchqueren und durchs Olivenmeer zurückwandern.«
    Der Magus sah mich schief an. »Wir könnten den Aracthus nicht überqueren.«
    »Wir könnten abwarten, bis es Gen besser geht.«
    »Was ist mit dem Essen?«
    Da ich überhaupt keinen Hunger hatte, hatte ich nicht ans Essen gedacht. »Zumindest haben wir reichlich Wasser«, sagte ich optimistisch und kämpfte mich langsam auf die Beine. Ich kam mir wie eine der beschädigten Uhren vor, die mein Bruder manchmal reparierte. Der Magus bückte sich, um mir aufzuhelfen. Sophos wandte sich um und stützte mich ebenfalls.
    »Glaubt Ihr wirklich, dass sie nach uns suchen werden? Würde es keinen Krieg auslösen, wenn sie uns köpfen?«, fragte er.
    Ich erwog den möglichen Ansehensgewinn, wenn man einem der wichtigsten Ratgeber seines Feindes den Kopf abschlagen ließ, und verglich ihn mit den Nachteilen eines offenen Krieges. »Sie würde euch beide vielleicht davonkommen lassen« – ich nickte –, »um einen Krieg zu vermeiden oder hinauszuzögern, bis sie bereit ist.«
    »Was ist mit dir?«, fragte Sophos.
    »Sie würde vielleicht auch mich gehen lassen. Aber wahrscheinlich wäre es ihr am liebsten, mich zu fangen und euch beide entkommen zu lassen.« Niemand würde meinetwegen einen Krieg beginnen, und ich könnte äußerst nützlich sein, wenn ich dazu gebracht werden konnte, für sie zu arbeiten. Ich zitterte, und etwas, das ein Stöhnen sein wollte, verließ meinen Mund als Seufzer.

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