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Die Legenden von Attolia 1: Der Dieb (German Edition)

Die Legenden von Attolia 1: Der Dieb (German Edition)

Titel: Die Legenden von Attolia 1: Der Dieb (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan Whalen Turner
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Wir mussten nahe am Fluss bleiben, denn falls wir wirklich gefasst werden sollten, hatte ich vor, mich hineinzustürzen.
    Sobald ich auf den Beinen war, trug der Schwung mich vorwärts. Wir folgten einem Ziegensteig, der über die Felsen gleich am Flussufer führte. Der Schotter auf dem Pfad schürfte mir die Fußsohlen auf, aber ich konnte besser sehen, und so kamen wir etwas schneller voran als zuvor.
    Während wir, zumeist im Gänsemarsch, wanderten, redete Sophos immer weiter. »Gen?«, fragte er. »Wenn du jetzt sein könntest, wo du nur wolltest, wo wäre das dann?«
    Ich seufzte. »Im Bett«, sagte ich. »In einem großen Bett, dessen Fußende mit Schnitzereien verziert ist, in einem warmen Zimmer mit vielen Fenstern. Und Bettlaken«, fügte ich nach ein paar Schritten hinzu und stellte mir vor, wie sie über meine wunden Füße strichen, »so schönen, wie man sie an der Heiligen Straße verkauft. Und einem Kamin«, fuhr ich fort und malte mir den Tagtraum immer weiter aus. »Und Büchern.«
    »Büchern?«, fragte Sophos erstaunt.
    »Büchern«, sagte ich mit Nachdruck; es kümmerte mich nicht, ob der Magus das für seltsam hielt. »Vielen Büchern. Wo wärst du?«
    »Unter dem Aprikosenbaum im Garten der Villa meiner Mutter. Ich würde meinen kleinen Schwestern beim Spielen zusehen, und wann immer ich eine Aprikose wollte, würde ich nach oben greifen und noch eine pflücken.«
    »Sie sind zu dieser Jahreszeit nicht reif.«
    »Nun, sagen wir, dass man überall sein kann, zu jedem beliebigen Zeitpunkt. Wo wärt Ihr, Magus?«
    Der Magus schwieg so lange, dass ich erst dachte, er würde gar nicht antworten.
    »Im Haupttempel«, sagte er schließlich.
    »Ach je«, sagte ich, da ich den Tempel immer noch mit Langeweile verband – viele Leute, die Sprechgesänge rezitierten, und Weihrauch überall. Mein neuer, nachdrücklicher Glaube an die Götter hatte mich dem leeren Gefasel gegenüber, das ich mein Leben lang in Tempeln ertragen hatte, nicht duldsamer gemacht.
    Der Magus war noch nicht fertig: »Ich würde der Hochzeit zwischen Sounis und Eddis beiwohnen.«
    Ich verzog das Gesicht. »Warum seid Ihr so erpicht auf diese Heirat?«
    »Der König braucht einen Erben, und dieser Erbe muss sowohl Eddis als auch Sounis erben.«
    »Er hat doch einen Neffen«, hob Sophos hervor.
    »Tut mir leid, natürlich hat er einen Erben«, sagte der Magus. »Aber er benötigt einen eigenen Sohn, damit der Thron sicher ist. Das bedeutet, dass er eine Frau haben muss.«
    »Und warum sollte sein Erbe auch Anspruch auf Eddis haben?«, fragte ich.
    Er fand, dass ich eine vollständige Antwort verdient hatte, was mehr als alles andere zeigte, wie sehr sich seine Meinung über mich gewandelt hatte. »Nicht nur Anspruch auf Eddis, sondern auch auf Attolia«, sagte er. »Du kannst das nicht wissen, Gen, aber diese drei Länder sind nur aufgrund eines seltenen Zusammentreffens verschiedener Umstände noch frei. Die ersten Eroberer überrannten unser Land, weil sie von uns Tribut einfordern wollten. Sie wichen langsam dem Kaufmannsimperium, das vor allem an unserem Handel interessiert war, und diese Oberherrschaft haben wir am Ende abgeschüttelt. Das war uns nur möglich, weil das Kaufmannsimperium damit beschäftigt war, anderswo gegen eine größere Bedrohung zu kämpfen: gegen die Meder. Die Meder versuchen schon seit einem Jahrhundert, ihr Reich über das Mittlere Meer hinaus auszudehnen. Bald werden sie nicht nur unser Land wollen, sondern uns auch daraus zu vertreiben versuchen. Seit vielen Jahren kämpfen sie gegen das, was vom Kaufmannsimperium noch übrig ist, und solange sie kämpfen, sind wir frei. Aber wenn die Kämpfe vorüber sind, müssen Sounis, Eddis und Attolia vereint sein, um gegen den Sieger zu kämpfen, sonst werden wir geknechtet wie nie zuvor. Es wird kein Sounis, kein Attolia und kein Eddis mehr geben, nur noch das Mederreich.«
    »Seid Ihr sicher, dass die Meder gewinnen werden?«
    »Ich bin mir sicher.«
    Das bot Stoff zum Nachdenken, während wir vor uns hinstapften. Der Steig erhob sich immer weiter über den Fluss: Das Ufer wurde steiler, bis es sechs oder acht Fuß tief als Klippe ins Wasser abfiel. Wir gingen auf einem schmalen Pfad aus Erde, die sich auf den Steinen angelagert hatte. Zur Linken des Wegs waren die Steine sogar noch höher aufgehäuft. Die Seperchia wurde schmaler und tiefer, je weiter wir flussaufwärts gelangten. Ich konnte sie dort tosen hören, wo sie sich durch ihr enges Bett zwängte.

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