Die Legenden von Attolia 4: Die Verschwörer (German Edition)
als wir uns steif aufrappelten und unsere Muskeln dehnten, um uns auf die Arbeit des Tages einzustellen, jemand vor einer der Barackentüren herum. Es war der Soldat vom Vorabend mit einem anderen Mann, seinem Offizier, wie ich annahm. Sie kamen, um sich über einen aufmüpfigen Sklaven zu beschweren. Zahlreiche Blicke wandten sich Dirnes zu, der noch auf seinem Strohsack saß. Aber ich stand zuerst auf und zog die Aufmerksamkeit des Soldaten auf mich.
»Der da!«, sagte er. Dirnes hatte ihn umgerannt, und der Soldat hätte sich sicher damit begnügt, an ihm Rache zu nehmen. Bis ich aufgestanden war, war ihm vielleicht noch nicht einmal bewusst gewesen, dass ich ebenfalls Sklave war, aber er wusste, dass ich derjenige war, der ihn das Gesicht hatte verlieren lassen.
Da er angesichts der Beschwerde eines freien Mannes keine Wahl hatte, führte Ochto mich nach draußen zum Strafpfahl und band meine Hände an den Ring dort. Als er mit mir fertig war, trugen meine Knie mich nicht mehr. Ich weiß nicht, wer mich losband, aber ich wurde zurück zu meinem Strohsack getragen und dort gelassen, während die anderen zur Arbeit gingen.
In der Mittagspause gelang es mir, auf die Beine zu kommen. Niemand drängte sich zwischen mich und den ersten Platz in der Reihe. Ich musste auf den Knien essen, die Schüssel auf den Boden gestellt. Dann legte ich mich wieder hin und betete, dass Ochto nicht von mir erwarten würde, nach der Pause auf den Feldern zu arbeiten.
Das tat er nicht, und ich döste den Rest des Tages über. Es war interessant. Mein Rücken tat zwar durchaus weh, und es war mehr Schaden entstanden, als Basrus angerichtet hatte, um mich als ungehorsamen Sklaven zu verkleiden, aber es war Schaden, der nur die Haut betraf und nicht viel tiefer ging. Ganz gleich wie sehr der Schmerz brannte, er verstörte mich nicht so wie das, was auf Basrus’ Prügel gefolgt war, vielleicht, weil mir nicht der Kopf wehtat, oder vielleicht, weil ich nicht so von anderen Ereignissen erschüttert war wie damals.
Ich verspürte keine besondere Verzweiflung, nur ein wenig Erstaunen.
Als wir auf der abenteuerlichen Suche nach Hamiathes’ Gabe gewesen waren, hatte ich zugesehen, wie der Magus Eugenides verprügelt hatte. Wir hatten geglaubt, dass er nur ein gewöhnlicher Dieb aus der Gosse von Sounis sei, und hatten uns tagelang angehört, wie er gejammert und sich beklagt hatte. Als ein Teil des Proviants gefehlt hatte, war es leicht gewesen, ihm die Schuld zu geben. Der Magus hatte sich mit einer Reitgerte über seinen Rücken hergemacht, und – heilige Opferlämmer! – Gen war so schnell vom Boden hochgekommen, als sei er mit einem Katapult abgeschossen worden. Es war so gewesen, als sei er ein anderer Mensch, ein Fremder, der sich in Gens Körper manifestiert hatte. Er hatte Pol niedergestreckt – womit ich nie gerechnet hätte! – und sich auf den Magus gestürzt. Wenn Pol nicht so schnell wieder auf die Beine gekommen wäre, wäre der Magus davongelaufen, Würde hin oder her. Selbst als Pol zwischen ihm und Gen gestanden hatte, war der Magus noch misstrauisch gewesen.
Ich dachte später, damals sei der echte Gen zum Vorschein gekommen, die Person, die sich hinter dem Schutzschild aus Gezeter und beißendem Spott verborgen hatte. Aber ich verbrachte nach unseren Abenteuern ganze Tage mit Eugenides, und dieser Eugenides war genau der Gen, mit dem ich auf Reisen gewesen war. Vielleicht weiß ich nicht, welcher Gen der echte ist. Aber ich weiß, dass seine Gefühle, nachdem er verprügelt worden war, nicht gespielt waren.
Wo, fragte ich mich, war mein gekränkter Stolz? Wo war meine Empörung? Meine Selbstachtung? Anscheinend nirgendwo. Mein Rücken schmerzte. Ich lag auf meinem Strohsack, hoffte, dass es bald besser werden würde, fragte mich auf distanzierte, alles andere als vorwurfsvolle Art, ob ich überhaupt ein Mann war, und kam zu dem Schluss, dass ich vermutlich keiner war.
Am nächsten Tag stand ich auf. Mir tat alles weh, aber ich war durchaus in der Lage, eine Schaufel zu heben. Obwohl ich nach einem Versuch wieder auf eine halbe Schaufel zurückfiel, war ich auch nicht erbärmlicher, als ich es bei meiner Ankunft auf Hanaktos’ Feldern gewesen war, und Ochto schien keine Lust zu haben, mich anzutreiben. Ich arbeitete allein. Dirnes sprach nicht mit mir. Er warf mir in der Baracke verbitterte Blicke zu und zeigte mir verächtlich die kalte Schulter, wenn er mich dabei ertappte, wie ich in seine Richtung
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