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Die Legenden von Attolia 4: Die Verschwörer (German Edition)

Die Legenden von Attolia 4: Die Verschwörer (German Edition)

Titel: Die Legenden von Attolia 4: Die Verschwörer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan Whalen Turner
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schaute.
    Ich konnte nichts daran ändern, und so arbeitete ich. Ochto behielt mich genau im Auge, und ich wollte ihn nicht auf den Gedanken bringen, dass ich vielleicht irgendetwas plante, was zu meinem Ruf als Totschläger passte. Der Schweiß brannte auf meinen Striemen, und ich freute mich darauf, ihn mit frischem Brunnenwasser abzuwaschen, sobald wir wieder bei der Baracke waren. Ich wollte ganz gewiss nicht wieder an den Ring neben meinem Strohsack gekettet werden.
    Leider sah ich mich, als wir die Baracke erreichten, vor eine unerwartete Schwierigkeit gestellt. Ochto hatte mir das Hemd ausgezogen, bevor er mir mit dem Rohrstock eine Tracht Prügel auf den Rücken verpasst hatte. Am Morgen war es mir, da ich mich sehr vorsichtig bewegt hatte, gelungen, es anzuziehen. Jetzt glaubte ich nicht, dass ich es abstreifen konnte. Es war nicht nur viel zu schmerzhaft, die Arme über den Kopf zu heben, das dumme Hemd klebte auch noch an einigen Stellen an mir. Ich wusste nicht weiter, starrte betrübt den Brunnen an und bemerkte, dass mehrere der anderen Männer ihrerseits Dirnes böse anstarrten.
    Widerwillig kam er zu mir, um mir zu helfen, aber er war immer noch zornig und ging nicht sanft mit mir um. Er zog an meinem Hemd, und ich beschimpfte ihn. Danach war er vorsichtiger, sah aber nicht weniger finster drein als zuvor. Das war mir recht gleichgültig, sobald er den Eimer über meinen Nacken ausleerte. Es fühlte sich göttlich an. Er tupfte mich mit meinem Hemd trocken, reichte es mir dann und stapfte wortlos davon. Ich zuckte behutsam die Achseln und ging mich zur Nachmittagsruhe hinlegen.
    An jenem Abend erschien Dirnes zu meinem äußersten Erstaunen mit einem zuckergussüberzogenen Kuchen bei mir. Er konnte ihn nur von seinem Freund, dem Koch, bekommen haben, und der Koch musste ein gehöriges Risiko eingegangen sein, als er ihn ihm geschenkt hatte. Dennoch war Dirnes immer noch böse auf mich, und ich konnte mir nicht vorstellen, warum er meinetwegen um einen solchen Gefallen gebeten hatte.
    »Dirnes«, sagte ich, »ich will deinen Kuchen nicht.«
    Ich wollte ihn doch. Ich wollte ihn sogar sehr.
    Die Männer in der Baracke beobachteten uns.
    »Ich habe dich nicht gebeten, mir irgendeinen Gefallen zu tun!«, sagte Dirnes; er schrie beinahe, doch er war nicht wütend, nur aufgeregt. Anders als sein Zorn berührte seine Verzweiflung mich, und ich verstand plötzlich, was mir bisher nicht klar geworden war: Dirnes war ein Sklave, wie ich auch. Er hatte nichts, oder zumindest sehr, sehr wenig. Ich hatte ihn davor bewahrt, von dem Soldaten zusammengeschlagen zu werden, und eine Tracht Prügel von Ochto auf mich genommen, die sonst vielleicht ihn getroffen hätte. Er konnte es mir nicht vergelten. Ein Kuchen mit Zuckerguss, etwas ganz Gewöhnliches, hatte ihn sicher alles, was er bei dem Koch gut gehabt hatte, wenn nicht mehr gekostet, und er war mir immer noch verpflichtet, würde mir verpflichtet sein, bis er irgendetwas opfern konnte, um mir seinerseits einen Gefallen zu tun, ohne dass ein Ende dieser Verpflichtung in Sicht war. Dies war ein Prinzip der Schuldknechtschaft, von dem ich nichts gewusst hatte. Sklaven tun anderen Sklaven keine Gefallen.
    »Dirnes, es tut mir leid«, sagte ich, ergriff seine Hand und drückte sie fest. »Es ist wirklich nicht der Rede wert.« Ich hob den Arm, um ihm zu zeigen, wie viel müheloser ich ihn schon wieder bewegen konnte. »Bis zum Ruhetag bin ich wieder genesen. Ochto hat noch nicht einmal so zugeschlagen, dass Narben bleiben werden.«
    Dirnes starrte mich an, als hätte ich gesagt, dass ich mir ein Paar Flügel wachsen lassen würde, um in den Himmel zu fliegen und die Götter zu besuchen. Mir war unbehaglich bewusst, dass alle anderen mich ebenfalls anstarrten. Vor allem Ochto. Eilig brach ich den Kuchen in zwei Teile.
    »Hier, wir teilen ihn uns«, sagte ich.
    Mein früheres Leben schien mir einfach zu entgleiten. Meine Träume von der Bibliothek wurden seltener und waren weniger lebhaft. Ich war jetzt vorsichtiger, wenn ich Soldaten begegnete. Ich wusste, wo ich hingehörte. Ich bekam dann und wann einen Leckerbissen aus der Küche, den ich freundschaftlich mit Dirnes teilte, und dachte kaum noch an die Bankette im Megaron von Sounis, die bis in die Morgendämmerung dauerten. Mein Onkel verlor weiter an Boden, aber ich interessierte mich immer weniger für die Nachrichten aus der Außenwelt. Dirnes’ Versuche, sich das Wohlwollen des Kochs zu erhalten, waren für das

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