Die Legenden von Attolia 4: Die Verschwörer (German Edition)
würde. Dass Berrone mich ohne das geringste Aufblitzen von Erkennen ansehen würde.
Hastig erklärte ich ihr, dass ich eine arme verlorene Seele gewesen war, als sie mich vor dem sicheren Tod auf den Galeeren gerettet hatte.
»Oh«, sagte sie, »du bist dieser Sklave, den ich gekauft habe.«
»Bitte helft mir«, sagte ich. »Ihr seid meine einzige Hoffnung in einer düsteren, düsteren Welt.«
Ich erzählte ihr eine Leidens- und Schauergeschichte, die geradewegs von der Bühne hätte stammen können. Ich war der Sohn eines kleinen Landbesitzers. Nach dem frühen Tod meines Vaters hatte sein Geschäftspartner, ein böser Okloi, sich mit allem Geld davongemacht. Meine Schwester und ich waren in die Sklaverei verkauft worden, um Schulden zu begleichen.
»Man trennte sie von mir, obwohl ich versuchte, das zu verhindern. Ich wurde an den Aufseher eines Landguts auf Letnos verkauft. Dieses Gut gehörte Eurem hochlöblichen Vater, Herrin. Er war ein guter Herr, und ich war nicht unglücklich, aber Ihr müsst mir glauben, dass ich mich nach meiner Schwester sehnte und um sie trauerte.« Ich musste unwillkürlich an Eurydike denken, und plötzlich waren die Tränen, die ich um meine erdachte Schwester zu weinen vortäuschte, nur allzu echt. »Aber sie war nicht verloren, Herrin. Dank eines Zufalls, der nur von den Göttern beschlossen worden sein kann, wurde sie an den Besitzer einer nahen Villa verkauft. Er war ein brutaler Mann, Herrin, und sein Aufseher war noch schlimmer. Nicht wie der ehrenhafte Mann, der das Gut Eures Vaters verwaltet.«
Ich sah hoch, um festzustellen, ob ich zu dick auftrug, aber Berrone betrachtete mich mit gebanntem Entsetzen. Ihre Dienerin dagegen war skeptisch. Sie musterte mich von der Tür aus.
»Er fiel über sie her, Herrin. Was hätte ich tun können, außer sie zu verteidigen? Und so« – ich ließ den Kopf hängen – »seht Ihr mich nun als Totschläger, verachtet und verzweifelt.«
»Was kann ich tun?«, fragte Berrone atemlos.
Gewonnen , dachte ich. »Ich habe gerade vorhin einen Mann zum Abendessen zu Eurem Vater kommen sehen. Er war ein Freund meines Vaters. Er wird für mich bürgen, und ich weiß, dass er mir helfen wird, das Geld zurückzubekommen, das gestohlen wurde. Meine Schwester und ich können wieder frei sein. Ich kann dem Besitzer des Mannes, den ich getötet habe, die Blutschuld bezahlen.«
»Er hat es nicht verdient«, schrie Berrone. »Diese Bestie!«
»Das kümmert mich nicht«, rief ich. »Ich werde alles bezahlen, um meine Schwester zu befreien. Herrin, könnt Ihr mir helfen?«
Der Verwalter, den Berrone herbeigerufen hatte, starrte das Durcheinander von Tonscherben auf dem teppichbedeckten Boden an.
Als ich meinen Plan das erste Mal erläutert hatte, hatte Berrone ihn nicht verstanden, also hatte ich ihn langsamer noch einmal erklärt. Hinter dem Vorhang zu ihrem Schlafzimmer versteckt konnte ich nur hoffen, dass sie sich an ihre Rolle erinnern würde.
»Wer war das?«, fragte der Verwalter.
»Ich weiß nicht, welcher der Jungen es war, aber Ihr werdet ihn schon erkennen, wenn Ihr ihn seht. Er hat Weinflecken auf der Tunika.«
»Er hat Wein auf seiner Tunika vergossen, sagt Ihr? Jetzt verstehe ich, Herrin – ich kümmere mich um ihn.« Der Verwalter ging, um den Hausdiener zur Strecke zu bringen, dessen Geschichte, er sei von einem narbengesichtigen Sklaven überfallen worden, als Lüge abgetan werden würde, die er sich hatte einfallen lassen, um die Abwesenheit seiner Tunika mit dem verdächtigen Fleck zu erklären.
»Was jetzt?«, fragte Berrone und wandte sich mir zu, als ich hinter dem Vorhang hervortrat.
Ich sah sie an, wie sie auf ihrem gepolsterten Schemel saß – die Knie zusammengepresst, die Füße weit auseinander und die Hände in ihren Röcken vergraben wie ein kleines Mädchen –, und hatte plötzlich schmerzliche Gewissensbisse. Ich lohnte ihr ihre Güte in bitterer Münze.
»Seid … seid Ihr sicher, dass Ihr das tun wollt?«, stammelte ich.
»Oh ja«, sagte Berrone.
Über Berrones Kopf hinweg sah ich ihre Dienerin, und ich merkte ihrem Gesichtsausdruck an, dass sie sich von meiner Schauspielerei nicht hatte täuschen lassen. Von ihrem Blick festgenagelt erstarrte ich.
Sie stand mit verschränkten Armen reglos da. Am Ende fiel selbst Berrone auf, dass irgendeine Entscheidung noch nicht gefällt war, und sie drehte sich auf ihrem Schemel um und umschlang die Taille ihrer Dienerin. »Oh, Sylvie, sei doch keine
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