Die Legenden von Attolia 4: Die Verschwörer (German Edition)
ruhten. Die Kammerherren des Königs gingen stumm mit Tabletts voller Speisen im Raum auf und ab oder brachten Amphoren, um Weinbecher aufzufüllen.
»Warum nicht den Gesandten zurückweisen und ihn nach Hause schicken?«, fragte Sounis.
Er beobachtete Attolia aus dem Augenwinkel. Sie war immer noch kühl, wie ein Hauch von Winter in der warmen Abendluft, aber in den letzten paar Tagen hatte er begonnen, unterschwelligen Humor in ihren eisigen Worten wahrzunehmen.
Als Gen früher am Abend geklagt hatte, dass Petrus, der Palastarzt, doch aufhören solle, ihn wie eine besorgte alte Frau zu umhegen, hatte Attolia hinterhältig gefragt: »Ich auch?«
»Wenn du aufhörst, mich zu umhegen«, hatte Gen gesagt und sich neben ihrer Liege auf die Knie gleiten lassen, »werde ich mit zwei Messern unter dem Kopfkissen schlafen.«
Attolia hatte auf ihn hinabgesehen und scharf erwidert: »Mach dich nicht lächerlich.«
Erst als Eugenides aufgelacht hatte, hatte Sounis verstanden, was sie hatte andeuten wollen: Wenn sie sich je gegen Eugenides wandte, würde ein zweites Messer ihn nicht retten. Er hätte die Olive, die er im Mund gehabt hatte, beinahe unzerkaut heruntergeschluckt.
Während er sie noch angestarrt hatte, hatte Attolia Eugenides beinahe schüchtern die Wange gestreichelt, bevor sie ihn mit einem Wink auf seine eigene Liege zurückgescheucht hatte.
»Man kann Gesandte nicht einfach wegwerfen wie verdorbenen Fisch«, sagte Eugenides. »Man muss sie vorsichtig behandeln, sonst findet man noch heraus, dass man einen Kriegsakt begangen hat.«
»Und wenn wir einen ihrer Gesandten haben, haben die Meder ihrerseits einen von uns«, sagte Attolia.
Sounis wusste vom Magus, dass Attolias Spionagenetzwerk vernichtend enttarnt worden war. Er verstand, warum die Attolier willens waren, das Risiko hinzunehmen, dass ein medischer Gesandter Zwietracht in ihrem Palast säte, wenn sie im Gegenzug irgendeinen eigenen Vertreter im Meder-Reich haben konnten.
»Wir wüssten gern, wo der medische Kaiser seine Armee und seine Flotte zusammenzieht«, sagte Attolia. »Die Großen Mächte des Kontinents und die auf der Halbinsel glauben nicht, dass er ein Heer aufstellt. Sie beharren darauf, dass es nur Säbelrasseln sei. Was es«, räumte sie ein, »vielleicht auch ist. Der Kaiser liegt im Sterben, und sterbende Männer brechen kaum jemals mit dem letzten Atemzug einen Krieg vom Zaun. Aber ich glaube, dass sein Erbe die Macht bereits übernommen hat, und eine Eroberung wäre ein verlässliches Mittel, seine Autorität zu festigen.«
»Nur wenn er darauf vertrauen kann, dass seine Generäle sich nicht gegen ihn wenden, wenn sie erst als Helden heimkehren«, erwiderte Sounis.
»In diesem Fall ist der General sein Bruder Nahuseresh«, erklärte Eugenides. »Wir können wohl kaum hoffen, dass von der Seite ein Anstoß zu inneren Wirren erfolgt.«
Eddis sagte: »Auf dem Kontinent will man Beweise für einen Angriff, bevor man das Risiko eingeht, Schritte dagegen einzuleiten. Man will das Meder-Reich nicht brüskieren und damit den Kriegsausbruch beschleunigen, den wir alle zu vermeiden versuchen. Aber natürlich wäre man bereit, hier Truppen aufmarschieren zu lassen«, schloss sie trocken.
Sounis zuckte zusammen. Kleine Länder wie Sounis, Eddis und Attolia waren der »Hilfe« vom Kontinent so schutzlos ausgeliefert wie der Eroberung durch die Meder. Im Laufe seines Lebens hatte Sounis bereits mitbekommen, wie kleine Stadtstaaten auf der Halbinsel von ihren größeren Nachbarn unter dem Vorwand des »Schutzes« annektiert worden waren.
Sounis spürte, dass es unhöflich gewesen wäre, unverblümt zu fragen, ob Eddis Spione jenseits des Mittleren Meeres hatte. Ihre Spione kamen wahrscheinlich näher an ihrer Heimat, in Attolia, zum Einsatz. Oder in Sounis, wie er annahm. Er entschloss sich, den Magus um mehr Informationen über seine eigenen Informationsquellen zu bitten.
»Die Gesandten mehrerer Staaten haben die Angebote ihrer Herrscher überbracht, die Megara an unserer Küste auszubauen und ihre Soldaten unter ihrem eigenen Befehl in diese befestigten Stellungen einrücken zu lassen«, sagte Eugenides. »Statt uns Geld zu leihen, um unsere Grenzen selbst zu befestigen.«
»Am häufigsten haben wir aber etwas anderes erhalten«, sagte Attolia, »nämlich Predigten, nicht zu herausfordernd aufzutreten, da wir sonst Gefahr laufen, die Unterstützung der Halbinsel und des Kontinents zu verlieren.«
»Wenn die Meder ohnehin
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