Die Legenden von Attolia 4: Die Verschwörer (German Edition)
sitzen, immer noch auf Hanaktos’ Feldern arbeiten oder gar tot sein können. Das war er nicht. Stattdessen saß er scheinbar entspannt im Schatten, aber es drängte ihn, nach Sounis zurückzukehren. Er war schon wochenlang in Attolia und hatte nicht gehört, wie es seiner Mutter oder seinen Schwestern ergangen war. Sein Vater hatte die Grenze zu Melenze erreicht, das wusste er immerhin, aber er konnte nur vermuten, womit seine aufständischen Barone gerade beschäftigt waren. Die Mahnung der Königin, dass die Zeit verging, war unnötig gewesen. Sounis’ einzelne Sorgen plagten ihn wie die Nadelstiche der Schneider. Er saß eine Weile da, um sie zu ordnen und über den verstörenden Rat der Königin von Attolia nachzusinnen.
Ion war den Säulengang entlangspaziert, um dem König von Sounis etwas Privatsphäre zu gönnen – zumindest hatte Sounis das vermutet. Als er einen Blick auf bunten Stoff erhaschte, der sich gegenüber von ihm zwischen den Beeten im Garten hindurchbewegte, beugte er sich vor und verfolgte die Wegstrecke. Die Frau hielt auf die Ecke zu, in der Ion wartete. Als Ion aus dem Säulengang in den Garten hinuntertrat, verschwand er aus seinem Blickfeld, aber Sounis hatte gute Ohren und hörte einen gemurmelten Gruß.
Er lehnte sich lächelnd zurück. Er war eifersüchtig. Wäre der unwillkommene Termin nicht gewesen, den er gerade hinausschob, dann hätte er mit Eddis in den ausgedehnteren und abgeschirmteren Gärten hinter dem Palast spazieren gehen können. Sein Lächeln verflog, als er sah, dass der Gesandte aus dem Meder-Reich sich aus der Gegenrichtung näherte.
»Bitte, Euer Majestät«, sagte der Meder höflich, »steht nicht auf. Ich habe nicht den Wunsch, Eure Betrachtungen zu unterbrechen.«
»Wollt Ihr mir nicht Gesellschaft leisten?«, fragte Sounis schweren Herzens diplomatisch.
»Wenn Ihr einen Augenblick für mich erübrigen könntet?« Melheret raffte seine Gewänder um die Knie und ließ sich neben Sounis auf der steinernen Bank nieder.
»Gewiss doch«, erwiderte Sounis. Es war unmöglich, nein zu sagen, wenn er die Zeit ohnehin schon für eigennützige Genüsse erübrigte.
»Der König von Attolia hält Euch in seiner Nähe«, sagte der Meder zur Erklärung für seine ungewöhnliche Vorgehensweise.
»Er ist ein guter Freund«, entgegnete Sounis.
»Oder vielleicht nur ein eifersüchtiger«, sagte Melheret sanft. »Seine Einladungen haben Vorrang und lassen Euch wenig Zeit, Euch mit anderen auszutauschen … anderen, die vielleicht über Informationen verfügen, die Euch sehr nützlich sein könnten.«
Sounis fragte sich, ob er überrascht sein sollte. Natürlich verhinderten die ständigen Gespräche mit den Attoliern, dass es zu noch unbehaglicheren Treffen mit den Gesandten von der Halbinsel und vom Kontinent kam. Sounis hatte es dem Magus überlassen, sich mit jenen Gesandten zu befassen, und ihm genaue Anweisungen erteilt, keine verbindlichen Abmachungen einzugehen. Dem Meder war er seit ihrer ersten Unterhaltung über den Remchik hinweg sorgfältig aus dem Weg gegangen.
Es war, wie Attolia gesagt hatte: Man wollte keinen falschen Schritt machen und damit einen Krieg auslösen. Sounis wollte nichts mit den Medern zu tun haben, aber kein vernünftiger Herrscher kränkte absichtlich den Gesandten eines anderen. Er hoffte nur, dass seine unfreundliche Einstellung Melheret gegenüber nicht zu offensichtlich war.
»Ihr schätzt mich nicht, Euer Majestät. Ich sehe, dass ich auf verlorenem Posten kämpfe.«
Oh, Götter, bewahrt mich davor, meine unverbrüchliche Zuneigung zu dem Meder beteuern zu müssen , dachte Sounis. »Nein, Gesandter, keineswegs«, sagte er laut. Er konnte seine Sorgen ebenso gut nutzbringend einsetzen. »Ich bin mir über meine Vorgehensweise nicht sicher. Ich werde Euch davon erzählen. Ich …« Er hielt sich gerade noch davon ab zuzugeben, dass er nachts immer noch Muster im Stuck nachzeichnete, statt zu schlafen. »Ich weiß wahrhaftig nicht, was das Beste ist. Attolia rät mir zu Gewalt, und ich … ich möchte glauben, dass ich meine Barone friedlich einen kann, dass ich sie überzeugen kann, mich als ihren König zu ehren, ohne dass ich sie erst besiegen muss. Der Preis, den meine Landsleute in Leben und Gold dafür entrichten müssten, würde bedeuten, dass ich ihn selbst bei einem Sieg zahlen müsste. Es würde Jahre dauern, bis Sounis zurückerlangen könnte, was es verloren hat.« Das laut auszusprechen bedeutete, davon überwältigt zu
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