Die Legenden von Attolia 4: Die Verschwörer (German Edition)
des Torbogens, den Blick nach außen gerichtet. Zu seiner Rechten öffnete sich eine niedrige Tür, die in eine Wachstube führen musste, in der sich mindestens ein weiterer Mann aufhielt, aber Eugenides schritt munter über die Freifläche. Sounis grub die Fersen in den Boden und blieb stehen. Eugenides konnte unter keinen Umständen ungesehen an dem Gardisten vorbeikommen. Es war lächerlich, daran auch nur zu denken. Sounis hielt den Atem an; er wusste, dass der Gardist nun jeden Moment aus dem Augenwinkel etwas erspähen oder der göttliche Fingerzeig erfolgen würde, der dafür sorgt, dass man sich umdreht, wenn jemand sich an einen anschleicht.
Der Gardist würde sich umdrehen, dachte Sounis. Jeden Moment. Und das tat er.
»Euer Majestät.«
»Aris«, sagte der König von Attolia und schnippte eine Münze in die Luft. Sie fiel in die aufgehaltene Hand des Wachsoldaten und verschwand in seinem Geldbeutel. Der Gardist ging wieder auf Posten, und der König schritt an ihm vorbei.
Nachdem er seinen eigenen Geldbeutel durchforstet hatte, legte Sounis unbeholfener eine Münze in dieselbe Hand und folgte Attolis aus dem Palast.
»Du Mistkerl«, sagte Sounis matt. »Ich weiß nicht, warum ich dich nicht hier in diesem Gässchen ersteche, so dass ich Annux über Sounis und Attolia werden kann.« Sie suchten sich einen gewundenen Weg durch die engsten Durchgänge; Eugenides lief immer noch voran und bog anscheinend ganz nach Laune von einer Gasse in die andere ab.
»Mich zu erstechen wäre unfreundlich«, sagte Eugenides, »aber Annux werden kannst du gern. Meinen Segen hast du.«
»Aber nicht den Attolias.«
»Stimmt«, erwiderte der König. »Also erstich mich besser nicht.«
»Gen«, sagte Sounis und blieb stehen.
Attolis, der schon ein paar Stufen weit eine windschiefe Treppe hinuntergestiegen war, drehte sich an ihrem Fuß um und schaute zu ihm hoch. »Ja?«
Sounis wusste nicht, was er sagen sollte.
»Sie hat mir die Hand abgehackt?«, fragte Gen.
Genau daran dachte Sounis, aber er sagte: »Wusstest du es? Als sie uns in den Kerker geworfen hat, nachdem du Hamiathes’ Gabe gestohlen hattest. Hast du sie da schon geliebt?«
Eugenides lachte und wirkte so entspannt, dass Sounis sich dabei ertappte, wie er mitlachte. »Nein«, sagte Gen. »Ich habe meine damaligen Gedanken für meine Cousine Eddis niedergeschrieben. Ich hatte vor, sie dem Magus zu schicken, und er hätte sie vielleicht an dich weitergegeben, aber aus irgendeinem Grund habe ich das nie getan.« Er sah sich um, als sei der Grund für sein Versäumnis vielleicht in den Kritzeleien an der nahen Wand zu finden. »Womöglich ist die Niederschrift mittlerweile verloren gegangen. Auf jeden Fall lautet die Antwort nein, ich wusste es nicht.«
»Wann dann?«, fragte Sounis und stieg langsam die Stufen hinab. Er erinnerte sich daran, wie er Eddis kennen gelernt und wie sie zum ersten Mal gelächelt hatte. »Oder weißt du es nicht?«
»Ich weiß es ganz genau. Ich saß in einem Takima-Strauch im Garten der Königin versteckt und beobachtete den älteren Sohn des Barons Erondites dabei, wie er Attolia seine Liebe gestand. Er versuchte, ihr einen Heiratsantrag zu machen, und sie dachte, er spräche von einem Gedicht, an dem er gerade arbeitete. Ich lachte wie ein sehr leiser Irrer und versuchte, die Zweige um mich herum nicht zum Wackeln zu bringen, und dann, zwischen einem Herzschlag und dem nächsten, war es zu meiner völligen Überraschung nicht mehr komisch .« Er rieb sich die Brust, als ob er sich an einen Schmerz erinnerte. »Ich wollte ihn umbringen. Als sie fort war, war ich drauf und dran, ihm aus dem Busch heraus auf den Kopf zu springen. Armer Dite.«
Armer Eugenides, dachte Sounis – sich in eine Frau zu verlieben, die er sich schon zur Feindin gemacht hatte! »Du hast ihn in die Verbannung geschickt?« Er hatte von der Vernichtung des Hauses Erondites gehört.
»Zum Glück nicht, bevor wir unsere Differenzen beigelegt hatten«, sagte Eugenides. Ernster fügte er hinzu: »Ich hätte ihn auch ins Exil geschickt, wenn wir das nicht getan hätten.«
»Ich verstehe«, sagte Sounis, und das tat er. »Wohin sind wir unterwegs?«
»Zu einer netten Taverne, in der niemand eine Ahnung hat, wer ich bin, also zieh dir den Mantel etwas enger um deine feinen Kleider! Ich möchte nicht, dass sie unbequeme Fragen stellen. Ich will nur die Gelegenheit haben, einen Moment lang ohne meine lieben Gefährten zu sein – und mögen die Götter
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