Die Leibwächterin (German Edition)
töten, in das man sich irrtümlich verliebt hatte. Was mein Vater getan hatte, war nur aus seiner Sicht notwendig gewesen, wir anderen wussten, dass es falsch war. Was Onkel Jari hatte tun müssen, war furchtbar gewesen, aber er hatte keine andere Wahl gehabt.
Mit acht Jahren war ich noch zu klein gewesen, um zu verstehen, dass es unvernünftig war, ein wildes Tier ins Haus zu holen. Frida war für mich nicht nur ein Haustier, sondern ein Familienmitglied. Aber bei uns lernte sie ja nicht richtig jagen, ihr fehlte die Mutter, die es ihr beigebracht hätte. Mäuse und Maulwürfe erbeutete sie, wie eine anständige Hauskatze, und manchmal setzte sie Eichhörnchen nach. Aber schon Feldhasen und Kaninchen waren ihr überlegen. Erst später begriff ich, dass Onkel Jari immer wieder gegen das Jagdgesetz verstieß, indem er auch in der Schonzeit Hasen und Kaninchen, Enten und manchmal sogar Möwen ins Haus brachte. Wir konnten es uns einfach nicht leisten, Frida ständig mit Fleisch aus dem Laden zu füttern.
Solange sie klein war, blieb Frida brav in Hevonpersii, die ersten anderthalb Jahre verliefen problemlos. Sie streifte zwar draußen umher, entfernte sich aber nicht allzu weit vom Haus. Manchmal sagten Nachbarn, sie hätten im Wald einen Luchs gesehen, und im Winter waren wir vollauf damit beschäftigt, Fridas Fährten vor unserem Haus und auf dem zugefrorenen See zu verwischen. Wahrscheinlich ahnten die Hakkarainens, dass wir einen Luchs aufzogen, aber da Frida ihrem Vieh nichts tat, ließen sie die Sache auf sich beruhen. In Hevonpersii herrschten eigene Regeln.
Die Schwierigkeiten begannen in dem Frühjahr, als Frida zwei Jahre und geschlechtsreif wurde. Sie brauchte einen Partner. Bis dahin hatte sie sich allein wohl gefühlt, doch in den Nächten des März und April waren ihre Lockrufe weithin zu hören. Ich erinnere mich an eine Nacht, in der die Eisschicht auf dem See das Mondlicht so stark reflektierte, dass man selbst im Haus gut sehen konnte. Frida stand auf dem Hof und heulte so laut, dass es bestimmt bis nach Riikkaranta zu hören war.
Und dann wurde der Ruf beantwortet. Von weit her schallte die Stimme eines Luchsmännchens. Onkel Jari hatte sich schlafend gestellt, aber auch er stand auf und sah mit mir aus dem Fenster, als Frida über das Eis nach Norden lief.
Sie blieb mehrere Tage verschwunden. Schließlich kehrte sie zurück. Sie kam allein, aber bald erschienen die Spuren eines zweiten Luchses auf dem Eis. In einer Nacht, als Tauwetter herrschte und die Eiszapfen an den Traufen brachen, ging ich zum Plumpsklo. Da sah ich sie, Frida und ihren Kumpan. Frida stützte sich auf die Vordertatzen und reckte das Hinterteil hoch, und der fremde Luchs drang schnell in sie ein, biss sie in den Nacken, Frida brüllte auf und schlug mit der Tatze nach dem Männchen, als dieses sich zurückzog. Ich war erst zehn und wusste nicht viel von körperlicher Liebe. Dennoch war mir klar, dass ich etwas Großartiges miterlebt hatte.
Die Brunstzeit ging vorüber. Ich war traurig, weil Frida keinen Freund mehr hatte, aber Onkel Jari sagte, das gehöre zum Luchsleben. Luchsbabys waren nicht unterwegs, auch das wusste Onkel Jari zu berichten. Es klappte nicht immer beim ersten Mal. Frida verhielt sich bald wieder wie eine Hauskatze. Sie hatte sich angewöhnt, auf der Straße hinter Onkel Jaris Auto herzulaufen. Als eines Tages Minttu, das zahme Kaninchen der Hakkarainens, verschwand, waren wir besorgt. Offenbar hatte unser Luchs endlich jagen gelernt, und das konnte fatal für ihn werden.
Wir haben nie erfahren, wer Frida überfuhr. Irgendein elender Feigling, der nicht anhielt, um nachzusehen, was er angerichtet hatte, sondern den Luchs halbtot am Straßenrand liegen ließ, einen Kilometer von unserem Haus entfernt. Ich fand Frida, als ich aus der Schule kam, und rannte den ganzen Weg nach Hause, obwohl mir schon nach zweihundert Metern die Beine wehtaten.
«Onkel Jari, Hilfe! Komm schnell! Frida blutet!»
Mein Onkel nahm das Elchgewehr und setzte sich ins Auto. Er verbot mir mitzukommen, aber ich sagte, Frida sei doch meine Schwester. Sie lebte noch, als wir zu ihr kamen, und an ihrem Blick sah man, dass sie uns erkannte: Meine Menschen sind da. Das Auto hatte ihren Hinterleib so schlimm zugerichtet, dass ein Tierarzt nichts mehr hätte ausrichten können.
«Hilja, ich muss sie von ihrer Qual erlösen. Ein einziger Schuss, und sie hat keine Schmerzen mehr.»
Ich sah nicht hin, als mein Onkel schoss, aber danach
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