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Die Leibwächterin (German Edition)

Die Leibwächterin (German Edition)

Titel: Die Leibwächterin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
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an Anita nun als aufgeklärt betrachte. Laitio bejahte und schickte einen Fluch hinterher. Noch einmal zog er die Schreibtischschublade auf und holte eine Kognakflasche heraus. Er machte sich nicht die Mühe, ein Glas zu holen, sondern trank direkt aus der Flasche.
    «Hau ab, du Schlampe», sagte er dann. «Verzieh dich und denk darüber nach, was du angerichtet hast. Du kannst froh sein, dass der Anruf ausgerechnet jetzt kam! Andernfalls hätte ich dich als Tatverdächtige verhaftet. Natürlich warst du nicht so blöd, die Nuutinen eigenhändig umzulegen, aber dass du an ihrem Tod mitschuldig bist, kannst du nicht leugnen!» Er setzte die Flasche wieder an, ein paar Tropfen Kognak liefen ihm übers Kinn.
    Ich stand auf, sah auf ihn herab und war sekundenlang versucht, ihm die Zigarre aus dem Mund zu nehmen und sie auf seiner Glatze auszudrücken. Aber ich hatte keine Lust, die nächste Nacht in einer Zelle zu verbringen. Ich ging grußlos, schnappte den Mantel von der Garderobe und rannte die Treppe hinunter. Als ich aus dem Haus trat, hörte ich, wie Laitio mir aus dem Fenster nachrief:
    «Glaub bloß nicht, dass du mich so einfach loswirst! Wir sprechen uns noch, da kannst du Gift drauf nehmen!»

[zur Inhaltsübersicht]
    5
    Riikka war in der Küche, Jenni ließ sich nicht blicken. Mit den Zähnen machte ich die Bierflasche auf, die ich im Rucksack gehabt hatte, und trank sie halb leer, bevor ich mich erkundigte, ob außer der Polizei noch andere Leute nach mir gefragt hatten. Riikka sagte, es sei ruhig gewesen, nur Zeugen Jehovas hätten geklingelt und außerdem ein russischer Student, der selbstgemalte Bilder verkaufte. Die Nachbarin habe ihm eins abgekauft und den ausgehungerten Jungen zu Kaffee und Schinkenpastete eingeladen. Mir erschien der russische Student verdächtig, und ich nahm mir vor, unserer Nachbarin, der Witwe Voutilainen, am nächsten Tag einen Besuch abzustatten und mir das Gemälde anzusehen. Das gute Tantchen freute sich immer über Besuch, und ihr Gebäck zerging einem auf der Zunge.
    Bevor ich schlafen ging, überprüfte ich routinemäßig, was sich vor dem Haus tat. Ich hatte mein Zimmer und die Stelle für meine Matratze so ausgewählt, dass man nicht direkt von der Straße auf mich schießen konnte. Vom Dach des gegenüberliegenden Hauses wäre es möglich gewesen, doch dabei wäre der Schütze das Risiko eingegangen, gesehen zu werden. Ich legte meine Glock auf den Fußboden neben die Matratze. Sie war immer geladen. Meine Mitbewohnerinnen hatten die Waffe nie zu Gesicht bekommen. Eigentlich hätte ich sie in dem verschließbaren Waffenkasten in meinem Kleiderschrank deponieren müssen, doch darin verbarg ich stattdessen Anitas Tuch. Es roch nach ihrem Parfüm, nach Vanille und Patschuli, wie ein Gruß aus dem Reich der Toten.
    Im Traum bekam ich Besuch von Frida. Wir liefen über den zugefrorenen See, und ich angelte am Eisloch Fische, mit denen Frida spielte. Als wir die Inselspitze erreichten, fiel im Wald ein Schuss, und Fridas Fell war im Nu zerlöchert und blutig wie der Luchspelz, den Anita am Abend ihres Todes getragen hatte. An dieser Stelle wachte ich auf, und sogleich wurde mir klar, dass ich aus dem Schlaf geschreckt war, weil jemand versuchte, die Wohnungstür zu öffnen, dem Geräusch nach allerdings nicht mit einem Dietrich. Eher hörte es sich so an, als ob jemand mit einem falschen Schlüssel aufschließen wollte.
    Ich stand lautlos auf und schnappte meine Waffe. Dann öffnete ich vorsichtig die Zimmertür und spähte in den Flur. Als die Wohnungstür aufging, hob ich instinktiv die Waffe. Jenni, die sturzbetrunken hereintaumelte, starrte auf die Pistole und schrie gellend auf.
    Ich machte auf dem Absatz kehrt, schloss die Tür und verstaute die Waffe in meiner Handtasche. Dann öffnete ich die Zimmertür wieder, wobei ich mein Klapphandy so hielt, dass der obere Teil auf Jenni gerichtet war wie eine Pistole.
    «Um Himmels willen, schrei nicht so laut! Du weckst noch das ganze Haus, oder mindestens Riikka.»
    Jenni hockte auf allen vieren im Flur.
    «Aber da war eine Pistole …»
    «Das ist mein Handy, siehst du? Ich dachte, du wärst ein Einbrecher, und wollte gerade die Polizei anrufen. Du bist so blau, dass du einen Elch nicht von einem Eichhörnchen unterscheiden kannst.»
    Ich flüsterte, um Riikka nicht zu wecken. Ihr Bett knarrte, offenbar drehte sie sich auf die andere Seite, doch sie stand nicht auf, um sich über den Lärm zu beschweren. Ich hielt Jenni die

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