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Die Leibwächterin (German Edition)

Die Leibwächterin (German Edition)

Titel: Die Leibwächterin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
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denn schon ihr drohendes Knurren hielt uns auf Abstand.
    Als ich mich richtig entspannte, verwandelte ich mich in einen Luchs. Mir wuchs ein Fell, die Ohren schoben sich nach oben, der Wind fuhr durch die Büschel an ihren Spitzen. Mein Schwanz peitschte hin und her, er war kurz, half mir aber dennoch, das Gleichgewicht zu halten. Ich spürte den Schnee unter meinen Pfoten, auf glattem Untergrund fuhr ich die Krallen aus. Ich sah einen Hasen und setzte ihm nach. Ich war die Jägerin und nicht die Beute.
    An diesem Gefühl versuchte ich festzuhalten, als ich in Pasila ausstieg. Es regnete heftig, der Wind trieb mir Tropfen ins Gesicht, trotz des Schutzdachs. Ich entdeckte Laitio sofort, er stand oben an der Rolltreppe und wirkte bärbeißig. Für einen Polizisten war er eher klein, doch er hatte die typische Körperhaltung, wachsam und locker zugleich. Den dunkelblauen Trenchcoat und den breitkrempigen Hut hatte er sich wahrscheinlich aus amerikanischen Filmen abgeguckt, jedenfalls hätte er in dieser Kleidung nach New York gepasst. Der schwarzbraune, buschige Schnurrbart erinnerte an die siebziger Jahre. Es ärgerte mich, dass ich keine hochhackigen Pumps trug. Nur wenige Männer können damit umgehen, dass eine Frau sie überragt.
    «Guten Tag, Hilja Kanerva Ilveskero, geborene Suurluoto», begrüßte Laitio mich und stellte damit von vornherein klar, dass er über meine Vergangenheit informiert war. Ich schärfte mir ein, dass ich ein Luchs war und Laitio nur ein mickriger Hase, der zwar Haken schlagen und mir entwischen mochte, mir aber nicht gefährlich werden konnte. Laitio führte mich auf den Parkplatz, zu einem großen nachtblauen Volvo. Offenbar war er mit seinem eigenen Wagen unterwegs, denn die Zentralkripo leistete sich wohl keine Dienstfahrzeuge dieser Preisklasse. Als ich mich in den Fond setzte wie in einem Taxi, fing ich im Rückspiegel Laitios verwunderten Blick auf. Ich hatte erwartet, dass er die Tuusulantie ansteuern würde, die nach Tikkurila führte, doch er fuhr nach Süden in Richtung Töölö.
    «Ich hab mein Büro zu Hause», erklärte er. «Da kommen weniger Überstunden zusammen, und du kannst mit der Straßenbahn nach Hause fahren. Du hast doch hoffentlich eine Monatskarte? Der Staat muss sparen.»
    Ich verfluchte meine Nachlässigkeit. Warum hatte ich nicht daran gedacht, mir den Dienstausweis zeigen zu lassen? Ich konnte nur hoffen, dass der Mann tatsächlich Hauptmeister Laitio war und nicht irgendein Schurke, der sich eine Telefonnummer beschafft hatte, die nach Zentralkripo aussah. Sein Schnurrbart war lang und dicht, er reichte seitlich mehrere Zentimeter über das Gesicht hinaus und hätte das Machwerk eines schlechten Maskenbildners sein können. Vielleicht brachte der Mann seinen Bart mit Wachs in Fasson. Unter seiner Hutkrempe waren keine Haare zu sehen.
    Er fuhr hinter das Olympiastadion und parkte in der Urheilukatu, wo wie durch ein Wunder ein Platz frei war. Ich folgte ihm in die Eingangshalle eines im Stil der Neuen Sachlichkeit gebauten Hauses. Auf der Liste der Bewohner stand beim sechsten, dem obersten Stock immerhin der Name Laitio. Der Aufzug war fast zu eng für uns beide, und als sich die altmodische Gittertür schloss, kam mir Frida in den Sinn, wie sie frenetisch an der Schuppentür kratzte. Laitio roch nach Zigarren. Seine schwarzen Schuhe hatten ein Lochmuster und auffällige schwarzweiße Schnürsenkel.
    Auch an der Wohnungstür stand der Name Laitio, doch er schloss eine andere Tür auf, die kein Namensschild hatte. Wahrscheinlich der ehemalige Dienstboteneingang. In der Wohnung roch es noch stärker nach Zigarren. Als Laitio den Hut abnahm, sah ich, dass er eine Vollglatze hatte. Er beugte sich vor, um mir den Mantel abzunehmen, und als ich seine Hand an meinem Rücken spürte, zuckte ich unwillkürlich zusammen. Mike Virtue hätte mich zur Strafe zehnmal um den Block laufen lassen.
    Unter Laitios Trenchcoat kamen ein dunkelgraues Nadelstreifenjackett und eine Krawatte mit dezentem Karomuster zum Vorschein. Er öffnete die Tür zu einem Zimmer, in dem man den Zigarrenqualm nicht nur roch, sondern auch sah. Das Mobiliar bestand aus einem Schreibtisch samt Stuhl und einem dunkelbraunen Ledersofa, auf dem ich unaufgefordert Platz nahm. Laitio ließ sich auf seinen Bürostuhl fallen, zog die Schreibtischschublade auf und holte eine Zigarrenkiste heraus. Mit scharfem Knacken schnitt er eine Zigarre an. Sie war fast so dick wie eine Banane und sah in seinem Mund

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