Die Leibwächterin (German Edition)
Laitio verächtlich an. Sein Verdacht gegen mich zeigte, dass die Zentralkripo und die russische Miliz völlig ahnungslos waren und vielleicht nicht einmal die Absicht hatten, gründlich zu recherchieren.
«Sie haben doch bestimmt Anita Nuutinens Teledaten. Da können Sie feststellen, dass ich sie mehrmals angerufen habe, auch dann noch, als sie offenbar schon tot war. Warum hätte ich das tun sollen, wenn ich an ihrer Ermordung beteiligt gewesen wäre?»
Laitio ließ wieder sein dröhnendes Lachen hören, das mir überhaupt nicht gefiel.
«Hältst du mich für blöd, Mädchen? Natürlich nur, um diese scheinbar unschuldige Frage stellen zu können. Du hast deine Kündigung also bereut, wie?»
«Ja. Ich habe versucht, Anita zu erreichen und …» Dass ich meine ehemalige Arbeitgeberin beschattet hatte, konnte ich ihm nicht mehr erzählen, denn sein Telefon klingelte. Er warf einen Blick auf das Display und knurrte:
«Lass mich mal kurz allein. Geh meinetwegen ins Treppenhaus, ich hol dich dann zurück. Aber lauf nicht weg, sonst hetze ich dir die komplette Polizei auf den Hals.»
Ich tat wie geheißen, obwohl ich mich über seinen Kommandoton ärgerte. Immerhin war es eine Erleichterung, dem Qualm zu entkommen. Eine halbe Etage tiefer war ein Lüftungsbalkon, dort ging ich hin, um frische Luft zu schnappen. Zu meiner Überraschung hörte ich Laitios Stimme über mir. Er sprach Englisch mit hartem Akzent.
«I don’t believe you. It’s all bullshit, and you know that, too. Shut up! I’ll contact the Finnish Embassy and our foreign minister.»
Offenbar stand in Laitios Arbeitszimmer eine Lüftungsklappe offen, die mehr Geräusche als Rauch entweichen ließ. Als er das Telefonat beendete, eilte ich zurück ins Treppenhaus. Gleich darauf öffnete er die Tür. Sein Gesicht war hochrot, auf der Glatze perlte der Schweiß. Er riss mich geradezu in die Wohnung.
«Finger weg, oder ich beschwere mich über Sie!»
«Wer würde deine Beschwerde ernst nehmen! Ich bin seit zweiunddreißig Jahren im Polizeidienst, ohne einen einzigen Verstoß und ohne Mahnung! Verdammt nochmal, es macht mich einfach wütend, dich zu sehen, so ein verantwortungsloses Weibsbild, das für Geld seinen Posten verlässt. Die Moskauer Miliz hat Frau Nuutinens Mörder gefunden. Irgendeinen obdachlosen Alkoholiker, der an der Metrostation gehaust hat. Wurde heute tot aufgefunden, Alkoholvergiftung. Er hatte ihre Brieftasche und ihren Pass bei sich.»
Ich starrte Laitio ungläubig an und verstand vollkommen, weshalb er so wütend ins Telefon gebrüllt hatte.
«Ein obdachloser Alkoholiker? Aber Anita ist doch erschossen worden!»
«Woher weißt du das?»
«Sie haben es mir am Telefon gesagt.»
«Hab ich nicht! Ich bin doch nicht so dumm, einer Verdächtigen den Tathergang zu verraten! Und die Medien in Finnland haben auch nichts darüber berichtet.»
Ich wiederum hatte mich bei meinem ersten Telefonat mit Laitio unwissend gestellt. Um jetzt nicht noch tiefer in die Bredouille zu geraten, behauptete ich, in einem Internetcafé in Joensuu russische Webseiten gelesen zu haben. Als Laitio nach der Adresse des Cafés fragte, sagte ich, darauf hätte ich nicht geachtet. Irgendwo am Markt sei es gewesen.
Natürlich glaubte ich kein Wort von der Geschichte, die der russische Milizionär einem finnischen Kollegen aufgetischt hatte. Es mochte durchaus sein, dass der Russe selbst sie für wahr hielt; vielleicht hatte irgendwer das Beweismaterial entsprechend arrangiert und dafür gesorgt, dass die Brieftasche den Obdachlosen zum Schuldigen stempelte. Aber solche Leute besaßen als Waffen nur ein Messer und ihre Fäuste, außerdem hätte Anita nie eine der Gassen betreten, in der diese Typen lungerten. Bullshit , wahrhaftig. In diesem Punkt hatte Laitio recht.
«Russische Webseiten hast du dir angeguckt? Kannst du die Schrift überhaupt lesen? Oder hat dir vielleicht jemand telefonisch Bericht erstattet?» Laitio versuchte noch einmal, sich aufzuspielen, doch er wirkte resigniert. Seine Zigarre war ausgegangen. Er setzte sie wieder in Brand, überlegte kurz, dann klappte er die Kiste auf und bot auch mir eine an. Als ich ablehnte, grinste er anzüglich.
«Warum gönnst du dir nicht mal was Gutes? Du hast doch Grund zu feiern. Wo ist das Kopfgeld? In einem Schließfach in Moskau? Verdammt nochmal, Mädchen, wenn du versuchst, über die Grenze zu kommen, lasse ich dich festnehmen.»
Ich ließ ihn reden, dann fragte ich, ob die Moskauer Miliz den Mord
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