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Die Leibwächterin (German Edition)

Die Leibwächterin (German Edition)

Titel: Die Leibwächterin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
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angesprochen hatten. «Wenn Sie zum Vogelturm wollen, sind Sie hier ganz falsch. Er ist nördlich vom Gasthaus, links von der Straße.»
    «Hätten Sie Zeit, ihn mir irgendwann einmal zu zeigen? Ich habe Urlaub, das Zimmer im Gasthof ist erschwinglich, und um diese Jahreszeit gibt es kaum störende Touristen. Also bleibe ich vielleicht noch eine Weile hier.»
    «Ich reise wahrscheinlich schon morgen ab und habe es ein bisschen eilig.»
    «Schade … Aber vielleicht darf ich Sie zum Abschluss Ihrer Pilzsuche zu einem Drink ins Gasthaus einladen?»
    Ich zögerte die Antwort hinaus. Zum Glück standen auf der kleinen Lichtung genügend Reifpilze und Täublinge, ich entdeckte sogar einige Pfifferlinge, während ich überlegte. Vielleicht wäre es klug, mich Stahl anzuschließen und ihn so ständig im Blick zu haben. Ich konnte beim besten Willen nicht daran glauben, dass Stahl aus reinem Zufall nach Kopparnäs geraten war und nicht wusste, wer ich war. Schon deshalb nicht, weil er im Morgengrauen um mein Sommerhaus herumgeschlichen war.
    Vielleicht unterschätzte er mich und glaubte tatsächlich, er sei mir unbekannt. Er bildete sich ein, Katz und Maus mit mir zu spielen, doch nun saß dem Kater ein Luchs im Nacken, auf dessen Attacke er nicht vorbereitet war.
    Mike Virtue hatte mich wiederholt gerügt, weil ich seiner Meinung nach zu impulsiv handelte und dazu neigte, unnötige Risiken einzugehen. Ich hatte deutlich seine Worte im Ohr, brachte die Erinnerung daran aber zum Schweigen, lächelte David Stahl strahlend an und säuselte:
    «In diesen alten Klamotten möchte ich in kein Lokal gehen, aber soweit ich weiß, ist die Bar mindestens bis zehn Uhr geöffnet. Wir könnten uns heute Abend dort treffen, vielleicht gegen acht. In Ordnung?»
    Stahl erwiderte mein Lächeln. Seine Freude war sichtlich echt, doch ich wusste, was der wahre Grund dafür war.
    «Das wäre schön! Dann können wir uns besser kennenlernen. Vielleicht mache ich mich jetzt auf den Weg zum Vogelturm, damit Sie genug Zeit haben, Ihren Pilzkorb zu füllen.» Er trank seinen Kaffee aus und verstaute die Thermoskanne im Rucksack. Nach kurzem Zögern kam er auf mich zu. Glaubte er tatsächlich, mein Vertrauen so schnell gewonnen zu haben? Würde er jetzt angreifen?
    Doch er streckte mir die Hand hin.
    «Vielleicht sollte ich mich vorstellen. Ich heiße David, David Stahl.» Er sprach den Namen schwedisch aus, so wie man ihn schrieb. «Ich bin nirgendwo ganz zu Hause, aber finnischer Staatsbürger, auch wenn ich kein Finnisch spreche. Heute Abend erzähle ich Ihnen mehr.»
    «Hilja Ilveskero», antwortete ich und gab ihm die Hand. «Ich bin sicher, dass es ein interessanter Abend wird.»

[zur Inhaltsübersicht]
    9
    Als Stahl gegangen war, wanderte ich am Seeufer entlang nach Süden. Sobald ich Blickschutz hatte, baute ich mein Handy noch einmal auseinander, fand aber auch jetzt keinen Sender. Irgendwie musste es Stahl trotzdem gelungen sein, meinen Anschluss zu peilen. Ich wollte das Telefon schon in den See werfen, begriff aber im letzten Moment, dass ich dadurch Stahls Misstrauen wecken würde. An diesem Abend musste ich meine Rolle glaubwürdig spielen.
    Eigentlich hatte ich keine Lust mehr, nach Pilzen Ausschau zu halten, doch dann kam mir eine Idee. Der Wald bot hervorragende Hilfsmittel zur Beseitigung störender Personen. Die Zeit der Frühjahrslorcheln war vorbei, zudem wäre niemand so unvorsichtig, unbekannte weiße Pilze zu essen, jedoch konnte ein unerfahrener Pilzsammler ohne weiteres einen Reifpilz mit einem Schleierling verwechseln, ein miserabler Pilzfreund sogar mit einem Spitzgebuckelten Raukopf. Der war im Pilzbuch mit drei Warnkreuzen gekennzeichnet, wie die Frühjahrslorchel, aber im Gegensatz zu dieser war die zerstörerische Kraft des Spitzgebuckelten Raukopfs auch durch dreimaliges Abkochen nicht zu bändigen.
    Nachdem ich eine Weile gesucht hatte, fand ich gleich zwei hochgiftige Exemplare. Ich wickelte sie in ein Taschentuch und schüttete zum Schutz Nadeln und Blätter über die Reifpilze, bevor ich das giftige Bündel in den Korb legte. Zwei Rauköpfe reichten aus, um einen ausgewachsenen Mann zu töten. David Stahl würde es so ergehen wie Juri Litwinenko: Zuerst würde er nicht wissen, was ihm widerfahren war, und wenn er es herausfand, war es zu spät, denn dann waren seine inneren Organe bereits zerstört. Obendrein würde mir niemand nachweisen können, dass ich dem Mann die tödlichen Pilze verabreicht hatte, selbst

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