Die Leibwächterin (German Edition)
wenn das Personal des Gasthofs mich in seiner Gesellschaft sehen würde.
Wahrscheinlich hatte Paskewitsch den Kahlkopf auf mich angesetzt, um zu erfahren, was ich der Polizei erzählt hatte und ob ich Paskewitschs Leute mit dem Mord an Anita Nuutinen in Verbindung brachte. Ich würde die liebeshungrige, einsame Frau spielen müssen, um meine Verabredung mit einem Wildfremden glaubwürdig erscheinen zu lassen.
Aber wieso spielen?, fragte ich mich, als ich nach Hause radelte. Es war Jahre her, seit ich zuletzt mit jemandem zusammen war, und alle meine bisherigen Beziehungen hatten mit einer Katastrophe geendet. Wenn Stahl gründlich recherchiert hatte, wusste er das.
Im Ferienhaus warf ich die Spitzgebuckelten Rauköpfe in die Pfanne, schnitt sie mit einer Schere klein und briet sie. Anschließend desinfizierte ich Schere und Pfanne. Im Schrank fand ich ein sauberes Gewürzgläschen, das sich zur Aufbewahrung der Pilze eignete und in meine Handtasche passte. Nachdem ich geduscht hatte, zog ich betont feminine Kleidung an. Das Make-up und die enganliegende, glitzernde Bluse hatte ich mir angeschafft, weil ich meine Auftraggeber zu ihrem Schutz bisweilen zu festlichen Veranstaltungen begleiten musste. Ich schwankte eine Weile zwischen dem Minirock aus rotem Wildleder und der schwarzen Lederhose, entschied mich schließlich für die Hose, weil sie beim Radfahren praktischer war. Die Pumps wollte ich in der Satteltasche mitnehmen; wenn ich sie trug, war ich nur rund zehn Zentimeter kleiner als Stahl. Außerdem eigneten sie sich perfekt für Fußtritte, denn die Stilettoabsätze waren aus Metall. Die Schuhe waren rot und ähnlich geformt wie die Pumps meiner Mutter, die ich mir als Teenager ausgeliehen hatte, hatten aber Größe einundvierzig. Ich hatte sie in einem Sexshop gekauft, der große Größen für Transvestiten führte. Das Make-up lag wie eine seltsame Folie auf meiner Haut, und die mit Mascara verlängerten Wimpern kitzelten an den Lidern. Den Lippenstift trug ich erst kurz vor der Abfahrt auf. Er war so rot wie meine Schuhe.
Die Pistole passte perfekt in das mit einem Reißverschluss gesicherte mittlere Fach meiner Handtasche. Ich wickelte das Pilzglas in ein Taschentuch und legte es zur Waffe. Nach allgemeiner Auffassung waren Frauenhandtaschen sowieso immer schwer und voll von unnützem Kram, also würde meine pralle Tasche keinem auffallen. Notfalls konnte ich sie auch als Schlagwaffe einsetzen. In die Satteltasche packte ich außer den Schuhen auch eine Taschen- und eine Stirnlampe, denn es wurde schon vor neun Uhr dunkel.
Ich nahm wieder die Abkürzung über das Ufergrundstück und fuhr langsam, um nicht ins Schwitzen zu kommen. So würde sich eine richtige Frau wahrscheinlich verhalten. Vor dem Gasthaus stellte ich mein Rad auf dem Parkplatz ab, weil es keinen Fahrradständer gab. Laternen beleuchteten den Vorplatz, irgendwo rief ein Schwarzspecht. Nachdem ich meine Jacke an die Garderobe gehängt hatte, ging ich zur Toilette, um meine Lockenfrisur zu richten. Nicht einmal das lebenslustige Botero-Poster, das neben dem Spiegel hing, konnte mich beruhigen, ich sah die pure Angst in meinen Augen.
Im Restaurant hielten sich nur die Wirtin und David auf, die miteinander englisch sprachen. David hatte ein Glas in der Hand, das dem intensiven Geruch nach mit Calvados gefüllt war. Er stellte es ab, fasste mich an den Händen und küsste mich auf beide Wangen. Er hatte den Kopf wieder kahl geschoren und roch dezent nach Rasierwasser. Zur schwarzen Jeans trug er ein schwarzes Jackett und ein weißes Hemd ohne Krawatte. Meine Lederhose musterte er mit einem anerkennenden Blick.
«Grüß dich, Hilja, was möchtest du trinken?»
«Haben Sie einen Piccolo?», fragte ich die Wirtin. Sie nickte. Sekt passte zum Stil der Frau, die ich spielen wollte. David führte mich ans Ende des Raums zu einem Tisch, auf dem eine Kerze brannte. Er rückte mir den Stuhl zurecht und wartete, bis ich saß, bevor er mir gegenüber Platz nahm. Ich überblickte den ganzen Raum, er nicht. Das kam mir durchaus gelegen.
«Es gibt Pfeffersteak und überbackenes Hühnerfilet. Von der langen Wanderung durch den Wald bin ich so hungrig, dass ich das Steak nehme. Ich hatte gerade mit der Wirtin überlegt, welcher Rotwein dazu passt. Du bist natürlich mein Gast. Euch finnischen Frauen muss man eine solche Selbstverständlichkeit ja ausdrücklich mitteilen.»
Ein kostenloses Essen schlug ich nicht aus, zumal ich nicht wusste, wann ich
Weitere Kostenlose Bücher