Die Leibwächterin (German Edition)
abends immer hierher nach Kirkkonummi, oder hast du einen Stützpunkt in Helsinki?»
«Ein Bett in einer Zweizimmerwohnung, die sich zwei Abgeordnete von außerhalb teilen. Die eine ist eine Grüne aus Oulu, die andere vertritt die Schwedische Volkspartei und kommt aus Ostbottnien. Sie hatte so viel Geld geerbt, dass sie sich die Wohnung kaufen konnte. Wir bewahren Stillschweigen über dieses Arrangement. Sie kommt nämlich aus dem Kerngebiet der Pelztierzüchter, und ihre Wähler würden es garantiert als kompromittierend betrachten, dass sie ihre Stadtwohnung mit zwei Grünen teilt», lachte Helena. Ihr Gelegenheitsquartier befand sich im Stadtteil Töölö in einem kürzlich renovierten Haus, dessen Eingangstür mit einem Code gesichert war. Die Wohnungstür hatte einen Türspion, ein Sicherheitsschloss und eine Vorlegekette, denn Helenas ostbottnische Kollegin war ein vorsichtiger Mensch. Ich nahm mir vor, für alle Fälle zu überprüfen, ob sie oder die andere Mitbewohnerin irgendeine Verbindung zu Paskewitsch hatte.
«Ich möchte mir dein Quartier in Helsinki auf jeden Fall ansehen, aber zuerst konzentrieren wir uns auf diese Wohnung. In Reiskas Gestalt kann ich dir auch gleich Sicherheitssysteme installieren, zum Beispiel Bewegungsmelder und Überwachungskameras. Was hältst du davon, den Garten zu beleuchten? Oder gibt es dort schon Lampen?»
«Nein. Aber glaubst du wirklich, dass alle diese Geräte nötig sind? Verbrauchen die nicht furchtbar viel Energie?»
«Ich kann dir Modelle mit niedrigem Verbrauch besorgen. Aber die Sorge um deine Sicherheit verschlingt doch auch Energie, nur hat man noch keinen Weg gefunden, persönliche Energie zu berechnen.»
Helena überlegte eine Weile und zupfte dabei zerstreut am Ärmel ihrer Jacke, was bei einer politischen Diskussion im Fernsehen keinen guten Eindruck gemacht hätte.
«Mit den anderen Geräten bin ich einverstanden, aber einen hell ausgeleuchteten Garten will ich nicht. Die Straßenlampen müssen genügen. Ich habe im Parlament gegen die zunehmende Überwachung der Bürger gekämpft, und jetzt lasse ich sie in meinem eigenen Haus zu!»
Ich verzichtete auf einen Kommentar. Es war leicht, Überwachungskameras abzulehnen, solange die eigene Sicherheit nicht bedroht war. «Erzähl mir von deinem Ex. Wie lange wart ihr zusammen? Was macht er beruflich?»
Helena hatte Timo Kunto Henrikki Aaltonen, genannt Tiku, vier Jahre zuvor bei der Kampagne zur Kommunalwahl kennengelernt. Er hatte Gedichte über Umweltfragen im Selbstverlag veröffentlicht und den Grünen in Espoo vorgeschlagen, die Bücher auf ihren Wahlveranstaltungen zu verkaufen. Daraus war nichts geworden, aber Helena hatten die Gedichte gefallen, weshalb sie fünfzig Exemplare gekauft hatte, um sie bei verschiedenen Anlässen zu verschenken. Daraufhin war Tiku dazu übergegangen, Gedichte über Helena zu schreiben.
«Ich war vollkommen blöd und habe jede Vorsicht vergessen! Meine früheren Freunde kamen aus der Wirtschaft oder der Politik. Der Vater meines Sohnes Aapo hat mit mir Volkswirtschaft studiert und ist jetzt einer der obersten Chefs bei der Nordea-Bank. Tiku war anders als die Männer, mit denen ich bis dahin liiert gewesen war. Anfangs fand ich es nur gerecht, dass ich mit meinem Abgeordnetengehalt einen begabten Dichter unterstütze, der noch keinen Verlag gefunden hat. Als ob ich etwas von Literatur verstünde! Ich würde dir Tikus Machwerke gern zeigen, aber ich habe alle seine Bücher der Bibliothek geschenkt, weil ich sie nicht mehr in meinen Regalen haben will.»
Von Dichtung verstand auch ich nichts. Onkel Jari hatte nur wenige Bücher besessen, darunter die Gesammelten Werke von Aleksis Kivi. Wenn er zu viel vom Schwarzgebrannten gekostet hatte, hatte er manchmal ein Gedicht von einem Eichhörnchen aufgesagt, das in seinem Moosbau ruht. Das war das einzige Gedicht, das ich fast ganz auswendig kannte, wenn man die Songtexte von Rockbands nicht mitzählte. Von Tiku Aaltonens Lyrik hatte ich nie gehört.
Tiku und der zu Beginn der Beziehung sechzehnjährige Aapo waren überhaupt nicht miteinander ausgekommen. Ein Grund war der Wohnungswechsel gewesen: Helena hatte eine Dreizimmerwohnung in Espoo, im Stadtteil Matinkylä gekauft, und obwohl diese nicht weit von Helenas und Aapos bisheriger Wohnung entfernt lag, hatte der Junge den Umzug und das neue Familienmitglied als persönliche Beleidigung empfunden. Er hatte sich immer mehr in sein Zimmer zurückgezogen und kaum noch an
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