Die Leibwächterin (German Edition)
meine Wähler sich davon beeindrucken lassen, aber möglicherweise haben die Interviews irgendeinen Spinner aufgestachelt. Jedenfalls verfolgt mich jemand, und ich möchte, dass du herausfindest, wer es ist.»
«Jemand verfolgt dich? Inwiefern?»
«Es ist mehr als das. Der Typ macht sich bemerkbar. Holt gelegentlich die Morgenzeitung aus dem Briefkasten und wirft sie durch den Briefschlitz. Der ist noch von früher an der Haustür, inzwischen wird die Post nur noch bis zum Kasten an der Straße zugestellt. Derselbe Unbekannte verschiebt den Rosmarintopf vor der Tür und stiehlt Äpfel. Einmal habe ich im Garten einen toten Hasen gefunden. Ich habe ihn zum Tierarzt gebracht, der feststellte, dass der Hase vergiftet worden war. Und manchmal läuft jemand durch meinen Garten hinter dem Haus. Ich weiß nicht, wie er da reinkommt, vielleicht klettert er über den Zaun.»
Ich stand auf und öffnete die Tür zum Garten. Es war leicht, über die zwei Meter hohen Zäune zu klettern, von denen die kleinen Reihenhausgärten umgrenzt waren, denn zwischen den Querbrettern gab es Zwischenräume, sodass ein weniger sportlicher Mensch die Planken wie Leitersprossen nutzen konnte. Ich selbst hätte mit einem kräftigen Sprung die Oberkante gepackt, mich hochgezogen und auf der anderen Seite herunterfallen lassen. Der Konditionsparcours der Sicherheitsakademie in Queens kam mir in den Sinn – dort war die Umzäunung zweieinhalb Meter hoch und aus glattgeschliffenem Ziegelstein. Manchmal hatten auf der Oberkante Glassplitter gelegen, manchmal Stacheldraht, gelegentlich auch eine Stromleitung mit achtzig Volt Spannung. Einmal hatten mich auf der anderen Seite zwei Dobermänner erwartet. Dennoch war ich immer unversehrt davongekommen.
«Was ist hinter dem Zaun?»
«Ein zweites Reihenhaus mit Garten, das Pendant zu diesem. Ich habe die Nachbarn gefragt, ob sie verdächtige Gestalten bemerkt haben, aber sie haben nichts gesehen.»
«Man kann Leute auch dafür bezahlen, dass sie weggucken. Hast du die Möglichkeit in Betracht gezogen, gegen diesen Aaltonen ein Annäherungsverbot zu beantragen?»
«Vorläufig noch nicht. Ich fürchte, dann geht er noch eifriger an die Öffentlichkeit. Das Gesetz ist an sich gut, ich habe selbst dazu beigetragen, dass es erlassen wurde, aber mitunter habe ich den Eindruck, es ist nur ein Stück Papier. Trotz Annäherungsverbot werden Menschen bedroht und getötet, gegen die Allerverrücktesten ist die Polizei einfach machtlos. So dürfte ich wohl nicht reden, aber manchmal fühlt man sich eben – ratlos.» Helena Lehmusvuo stand auf, trat ans Fenster und schloss die Jalousie.
«Neigt Tiku Aaltonen zu Eifersucht? Mir fällt da nämlich jemand ein, der für diese Aufgabe noch besser geeignet wäre als ich, aber er ist ein Mann.»
Sie schüttelte den Kopf. «Ich will keine Männer im Haus, ich möchte so weiterleben wie bisher. In meiner Freizeit brauche ich meine Ruhe.»
«Es handelt sich nicht um einen gewöhnlichen Mann.»
«Auch wenn er schwul sein sollte, macht das keinen Unterschied. Ein Mann ist er trotzdem. Tiku ist tatsächlich eifersüchtig und besitzergreifend. Ein männlicher Leibwächter wäre bestimmt ein rotes Tuch für ihn. Im Übrigen hat er das Gerücht in die Welt gesetzt, ich hätte ihn verlassen, weil ich Frauen den Vorzug gäbe. Darüber regt sich allerdings heute keiner mehr auf.»
«Es handelt sich nicht um einen normalen Mann, sondern um Reiska. Reiska Räsänen.»
«Und wer soll das sein?»
Ich trug kein Make-up, keine Schirmmütze und keinen Schnurrbart. Doch ich nahm Reiskas Körperhaltung und Mimik an und sprach mit tiefer Stimme im Dialekt von Kaavi. Ich ging auf Helena zu und starrte sie an.
«Ich bin der Reiska Räsänen, Gelegenheitsarbeiter aus Kaavi. Tag auch. Ich such Arbeit, und wie’s aussieht, gibt’s hier ’ne Menge zu tun. Nicht mal die Zäune sind gestrichen, dabei braucht man dafür bloß zwei Tage, wenn’s nich regnet. Wenn wir uns über den Preis einig werden, kann ich das erledigen, und den Rasen kann ich auch gleich mähen. Eine Abgeordnete muss doch einen gepflegten Garten haben, was sollen denn die Leute denken!»
Helena Lehmusvuo starrte mich entgeistert an. Ich stemmte die Hände in die Hüften, kratzte mich am nicht vorhandenen Gemächt und ließ den Blick über Helena wandern.
«Sie sehn ganz passabel aus, bloß zu mager für meinen Geschmack. Aber von Ihrer Partei halt ich nix. Mein Vater war Kleinbauer in Kaavi, ohne Dünger wächst
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