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Die Leibwächterin (German Edition)

Die Leibwächterin (German Edition)

Titel: Die Leibwächterin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
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die Toilette in der oberen Etage. Das Bier aus der Kneipe drückte auf die Blase, und außerdem wollte ich Reiskas Maske für eine Weile ablegen, weil ich von dem starken Make-up Pickel bekam. Als Hilja kehrte ich ins Erdgeschoss zurück.
    «Hast du dich erschreckt?», fragte ich Helena, die offenbar schon beim zweiten Glas war. Sie wollte am nächsten Tag zu Hause bleiben und einen Vortrag für irgendeine internationale Konferenz schreiben.
    «Ich war eher wütend, jedenfalls am Anfang, und dann verwundert, weil du verschwunden warst – oder vielmehr Reiska.»
    «Reiska wollte Tiku überraschen. Der Mann ist ein Schlappschwanz. Dass er um Geld bettelt, ist eine positive Nachricht, denn das bedeutet, dass noch keiner versucht hat, ihn zu bestechen. Er würde dich jederzeit verkaufen, oder?»
    Helena starrte mich an. «An wen?»
    «An diejenigen, über die du noch nicht sprechen willst.» Als Helena zusammenfuhr, fügte ich hinzu: «Ich weiß, dass du mich noch testest. Belassen wir es vorläufig dabei. Aber wenn ich Anitas … O verdammt!»
    Ich fluchte selten, aber jetzt hatte ich allen Grund dazu. Mir war nämlich gerade aufgegangen, dass Cecilia Nuutinen-Kekki schon seit Tagen in Finnland sein musste und wahrscheinlich versucht hatte, mich zu erreichen. Sie wusste ja nicht, dass ich eine neue Telefonnummer hatte! Ich war vielleicht eine Idiotin. Meine E-Mails hatte ich nicht gelesen, weil ich nichts von Laitio hören wollte – und erst recht nicht von David Stahl. Nachts hatte ich oft an David gedacht und gegen die Versuchung gekämpft, ihn anzurufen.
    «Ich gehe jetzt schlafen. Alles ist in Ordnung», sagte ich zu Helena. Die Falten in ihrem schmalen Gesicht waren ungewöhnlich tief. So wie jetzt würde sie in zehn Jahren aussehen.
    Am nächsten Morgen schlief Helena lange. Ich zog alle Vorhänge zu, denn ich wollte endlich wieder einmal als Hilja frühstücken können. Deshalb wagte ich auch nicht, die Zeitung zu holen, sondern las eine alte Ausgabe von Vihreä lanka ; das Parteiblatt der Grünen war mir bis dahin unbekannt gewesen. Es war fast elf, als Reiska endlich so weit war, mit der Arbeit im Garten zu beginnen. Mittlerweile saß Helena bereits bei einer Tasse Tee und einem Teller Haferbrei am Küchentisch. Reiska schaltete die Alarmanlage aus und strich den Gartenzaun zum zweiten Mal. Als er damit fertig war, beschloss er, auch den nur zwei Quadratmeter großen Zaun zu streichen, der den Vorgarten vom Bürgersteig trennte. Im MP3-Player lief das Album Humppa United von den Eläkeläiset, und Reiska sang mit, obwohl er heiser war und nicht immer den richtigen Ton traf. Wegen der Musik hörte er die Schritte des Passanten zunächst nicht. Als der Mann näher kam, zog sich Reiska die Mütze tiefer ins Gesicht. Die Wanderschuhe kamen ihm bekannt vor, ebenso die schwarze Jeans. Der Mann ging an Reiska vorbei, und der blickte ihm erst nach, als er ein gutes Stück entfernt war.
    Obwohl nur sein Rücken zu sehen war, ließ die hochgewachsene, glatzköpfige Gestalt keinen Irrtum zu: David Stahl spazierte durch die Straße, in der Helena Lehmusvuo wohnte. Plötzlich blieb er stehen und drehte sich um, bevor Reiska den Blick senken konnte. Stahl starrte ihn sekundenlang an. Ich war ganz sicher, dass er mich unter Reiskas Maske erkannte.
    Aber Stahl zuckte nur die Achseln, lächelte und ging weiter. Weder Reiska noch ich verspürte den Wunsch, ihm zu folgen.

[zur Inhaltsübersicht]
    13
    Ich fluchte lautlos vor mich hin, während ich den Rest des Zauns strich. Hatte Stahl mich erkannt oder nicht? Helena wollte am nächsten Morgen zum Wochenendseminar im Gasthof von Kopparnäs aufbrechen. Ob ich sie begleiten würde, hatten wir noch nicht entschieden.
    Es kam mir vor, als ob mein neues Handy in Reiskas Hosentasche glühte. Ich musste unbedingt herausfinden, was David Stahl trieb. Da ich mit Hiljas Stimme sprechen musste, konnte ich ihn nicht draußen anrufen, wo die Nachbarn mich möglicherweise hören würden. Ein Anruf im Haus war ebenfalls ausgeschlossen, weil Helena dort war. Ich wollte ihr vorläufig nichts von Stahl erzählen, weil ich nicht wusste, ob er hinter ihr oder mir her war.
    Ich ging ins Haus. Helena, die mit ihrem Laptop am Küchentisch saß, warf mir nur einen flüchtigen Blick zu. Im Obergeschoss packte ich einen Spiegel, Reinigungsmilch, eine Flasche Wasser, Watte und ein Handtuch sowie meine Schuhe und meine Jacke in den Rucksack. Dann ging ich in den nahegelegenen Wald und verwandelte mich

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